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Von seiner Genese im 18. bis zu seinem Kollaps im 20. Jahrhundert erweist sich das bürgerliche Vatermodell als politisch und literarisch zentral: Die vorliegende Studie untersucht die Geschichte dieses Konstrukts erstmals systematisch mit Blick auf das Zusammenspiel von paternalen Herrschaftsmechanismen und der Emotionalisierung der Familie im Kontext des bürgerlichen Wertesystems. Literarisch etablierte familiale Strukturen werden dabei als wichtige Blaupause für die Repräsentation von Herrschaft sowie für das Zusammenspiel von Staat und Gesellschaft erkennbar. Das Buch verfolgt die Gratwanderung des bürgerlichen "Vaters" zwischen moderner Herrschaft und Emotionen unter drei leitenden Aspekten: zum einen bezüglich der Regulierung der filialen Sexualität, zum anderen hinsichtlich der Ermächtigung des "Vaters" in einer spezifischen, neuen privaten Wertesphäre, und zum dritten mit Blick auf den Funktionswandel des "Vaters" im Laufe der Jahrhunderte. Die auf dieser Basis nachvollzogene Entwicklung des bürgerlichen Vaters lässt sich als Vorgeschichte und damit auch als konsequente Historisierung wirkungsmächtiger anthropologischer Theorien (wie etwa Freuds Überlegungen zu Vaterschaft und Herrschaft) lesen.
Die Berliner Neidhart-Handschrift R (Niederösterreich, ca. 1280) enthält zehn Lieder, zu denen am Blattrand Strophen nachgetragen sind. Diese Strophen zeugen von einer Fassungsvarianz, die bislang in keiner Ausgabe berücksichtigt wurde. Die vorliegende Studie nimmt eine Erschließung dieser Fassungsvarianten vor und liefert damit einen grundlegenden Beitrag zur Überlieferungsgeschichte und Textkritik von Neidharts Liedern.
Frontmatter -- VORWORT -- INHALTSVERZEICHNIS -- ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS -- Einleitung: Das Problem -- TEIL I. Grundlegung der Formanalyse -- A. SYSTEMATIK -- KAPITEL I. STOFF UND FORM -- KAPITEL II. ORDO UND FORM -- KAPITEL III. HARMONIE UND ZAHLENLEHRE -- KAPITEL IV. DIE BEDEUTUNGSDIMENSION DER ZAHL -- KAPITEL V. ZUR METHODE -- ?. FORMGESCHICHTE -- KAPITEL I. DIE TRADITION DER ZAHLENKOMPOSITION -- KAPITEL II. ZAHLENKOMPOSITION IN DER KAROLINGISCHEN LITERATUR -- TEIL II. Formanalyse von Otfrids Evangelienbuch -- KAPITEL I. ZAHLEN KOMPOSITION IN OTFRIDS 'LI?ER EVANGELIORUM'? -- KAPITEL II. INNERE GLIEDERUNG DER BÜCHER -- KAPITEL III. STRUKTUREN UND ZENTREN DES GESAMTWERKS -- QUELLEN UND LITERATUR -- AUTOREN- UND PERSONENREGISTER -- SACH- UND WORTREGISTER -- STELLENREGISTER
Die fruhmittelhochdeutsche (sogenannte Wiener' oder Altdeutsche') Genesis' zahlt zu den wichtigsten Denkmalern der fruhmittelalterlichen deutschen Literatur, zugleich zur ersten deutschsprachigen Dichtung, die mit einem Illustrationszyklus ausgestattet ist. Der Text ist in drei Fassungen handschriftlich erhalten: In der osterreichischen Nationalbibliothek in Wien, im Karntner Landesarchiv in Klagenfurt (Millstatter Handschrift') und in der Vorauer Stiftsbibliothek. Die Vorauer Fassung uberliefert mit der Josephsgeschichte nur die zweite Halfte des Werkes. Im vorliegenden Band sind die ca. 6000 Verse erstmals in synoptischer Darstellung ediert. Die Texte der drei Fassungen wurden nach den Handschriften in Wien, Klagenfurt und Vorau neu erarbeitet. Dazu treten 87 Farbbabildungen des Illustrationszyklus' der Klagenfurter Handschrift, die - ebenso wie die Bildlucken der Wiener Handschrift - an den entsprechenden Stellen in den Text inseriert sind.Die Neuausgabe ermoglicht ein vergleichendes Studium der drei Textfassungen und des zugehorigen Bildzyklus' dieses literatur- und kunsthistorisch bedeutenden und in der Forschung viel diskutierten Werkes.
Bis dato existierte keine Monographie, die Goethes Wanderjahre in ihrer Struktur erfassen konnte. Die Studie definiert den Terminus ,Archivroman¿; mit dem ,Archivalischen Erzählen¿ und dem ,Archivalischen Schreiben¿ entwickelt sie Untersuchungseinheiten am Text, die fortan zum Basisvokabular der Romananalyse gezählt werden dürfen. Sie geht von einer formkonstitutiven Interdependenz von Unordnung, Ordnung und Hilfsmitteln zur Ordnungsgenerierung in den Wanderjahren aus und zeigt, dass man dort auf Thematisierungen einer Pluralität stößt, deren Tragfähigkeit als literarisches Konstruktionsprinzip ausgelotet wird. Als den Garanten einer größtmöglichen Freiheit in der Anordnung bei minimaler Ordnung etabliert sie Goethes Idee des Aggregats. Als ob der Text diesem oft als defizitär apostrophierten Instrument zur Beziehungsvermeidung nicht traute, greift er zur Absicherung gegen eine potentielle Verselbständigung der Pluralität aufs Archiv zurück. Er experimentiert sogar mit einer Anthropomorphisierung von Sammlungen: Das Archiv fungiert als "ordentlich eine mitspielende Person" (Schiller).
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Blutstropfenszene im »Parzival« Wolframs von Eschenbach. Die in dieser Szene geschilderten Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozesse werden vor dem Hintergrund der frühscholastischen Wahrnehmungs- und Erkenntnistheorie interpretiert. In einem zweiten Schritt der Untersuchung wird allgemeiner nach der Bedeutung von Wahrnehmung und Erkenntnis in Wolframs Dichtung gefragt. Dieser Frage wird zunächst auf der Handlungsebene und dann auf der Erzählerebene nachgegangen. Auf der Handlungsebene geht es um eine Neuinterpretation der Parzivalgeschichte unter dem Gesichtspunkt der beschränkten Wahrnehmungsfähigkeit des Helden. In Auseinandersetzung mit der bisherigen Forschung werden wichtige Stationen der Handlung (Kindheit in Soltane, Frageversäumnis in Munsalvaesche, Begegnung mit Trevrizent) neu beleuchtet. Auf der Erzählerebene geht es darum, die Selbstdarstellung des Erzählers als Analphabet (ine kan decheinen buochstap) vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussion über den Wert der Wissenschaft und die Möglichkeit der Wahrheitserkenntnis zu würdigen. Das führt schließlich zum Problem der Poetik des Parzivalromans.
Die komparatistische Untersuchung verortet zentrale Texte von Heine und Byron poetologisch und epochengeschichtlich zwischen Romantik und Realismus vor dem Hintergrund einer europaischen Literatur- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Heines Byron-Rezeption wird dabei unter Ruckgriff auf Pierre Bourdieus Theorie des literarischen Feldes neu evaluiert, wobei statt des bisherigen Paradigmas des Weltschmerzes erstmals der Fokus auf eine Poetik eingreifender Kunst gerichtet wird, die Heine und Byron in ihren Texten zwischen 1815 und 1830 entwickeln. Mit diesem transgressiven Konzept performativen Schreibens, das sich in skandalisierenden Schriften wie Die Bader von Lukka"e; und The Vision of Judgment"e; zeigt, werden fruhromantische Positionen zum Verhaltnis von Kunst und Leben aufgegriffen, umcodiert und transformiert. In Detailstudien von Byrons Childe Harold IV"e; und Heines Die Reise von Munchen nach Genua"e; wird gezeigt, wie sich eine Politisierung der Poetik zu einer eingreifenden Kunst in der textuellen Auseinandersetzung der beiden Autoren mit dem zeitgenossischen Italien und seiner diskursiven Konstruktion vollzieht und damit eine neue Form postromantischen Schreibens realisiert wird.
Die Untersuchung zeigt zum ersten Mal die historische Notwendigkeit, warum aufgrund ihrer theoretischen und geschichtsphilosophischen Pragung gerade im deutschsprachigen Raum des spaten 18. Jahrhunderts eine performative Geschichtsschreibung entsteht, die modernes historiographisches Erzahlen erst ermoglicht. Hiermit wird die These vom Ubergang der Geschichtserzahlung zwischen Aufklarungshistorik und Historismus prazisiert. Die untersuchten Texte sowohl Zivilisations- als auch Realgeschichtsschreibung umfassend von Forster, Herder, Schiller, Archenholz bis zu den Brudern Schlegel setzen Erzahlmittel und asthetische Strategien ein, um die Kontingenz der Geschichte zu uberwinden und deren Gesetzmaigkeit auszudrucken. Die vorliegende Arbeit differenziert zugleich die gangige These der Forschung im Zuge von linguistic' und narrative turn' aus, wonach die Realgeschichtsschreibung die Erzahlverfahren der Literatur, gerade des Romans, ubernimmt. Die historiographiespezifischen Darstellungstechniken werden mithilfe narratologischer und performanztheoretischer Verfahren herausarbeitet. Angesprochen werden daher sowohl Literatur- und Wissenschaftshistoriker als auch Literatur- und Geschichtstheoretiker sowie Geschichtsphilosophen.
Die Studie ordnet den fruhneuzeitlichen europaischen Bestseller Eulenspiegel in den englischen Produktions- und Rezeptionskontext des 16. Jahrhunderts ein. Sie zeigt, wie stark der dortige Buchdruck zu jener Zeit von deutschen Buchdruckern und -handlern bestimmt und auf welchen Wegen eine deutsche' Figur in England aufgenommen wurde. Anhand der Vielzahl von Ubersetzungen und deren Vernetzung mit der englischen Fassung wird die damalige Faszination des Eulenspiegel deutlich. Mit buchgeschichtlichen und philologischen Methoden der interdisziplinaren Textwissenschaft wird die Genese des englischen Buches entschlusselt und historisiert: Erstmals bildet eine ins Deutsche ubersetzte Edition mit Varianten die gesamte englische Uberlieferung des 16. Jahrhunderts ab und erganzt sie durch einen Vergleich mit kontinentalen Uberlieferungen. Die vorliegende Studie beleuchtet die fruhneuzeitlichen europaischen Netzwerke, die an der Produktion und Verbreitung der komischen Kurzprosa beteiligt waren, fur die der Howleglas reprasentativ steht. Die Untersuchung der humanistischen Beschaftigung mit jenem hochst popularen Genre ist damit ein Beitrag zur Geschichte des Kulturtransfers und zur Literaturgeschichte Europas.
der Dichter Bruder Wernher wird mit Blick auf die Sangspruchdichtung von der Forschung als einer der Nachfolger Walthers von der Vogelweide angesehen. Lange Zeit waren Wernhers Sangspruche allein in Anton E. Schonbachs Ausgabe aus den Jahren 1904/05 vollstandig enthalten. Die vorliegende Edition arbeitet Wernhers Werk nun nach heutigen Editionsstandards neu auf. Dabei soll die Arbeit von einem moglichst heterogenen Benutzerkreis verwendet werden konnen und richtet sich an AltgermanistInnen und Studierende, MittelalterhistorikerInnen und SprachwissenschaftlerInnen. Das dreigliedrige Editionskonzept - bestehend aus Transliteration, Normalisierung und Ubersetzung/Kommentar - soll dies gewahrleisten. Dabei erhalten die BenutzerInnen dank der hohen Transparenz detaillierte Einblicke in die einzelnen Untersuchungsschritte.
Im spaten 19. und fruhen 20. Jahrhundert verlieren traditionelle Identitatsgaranten an Bedeutung. Dabei kann es sich um eine religios begrundete Weltdeutung handeln, die noch nicht dem Erkenntniszweifel unterlag (Bertolt Brecht); um eine soziale Position, die es erlaubte, die Differenzierung der Gesellschaft zu uberblenden (Gottfried Benn); um einen Raum, in dem noch eine zyklische, naturliche Zeitordnung galt (Stefan George). Nach dem Verlust dieser Sicherheiten reflektieren die Autoren die Bedingungen moderner Individualitat: Sie beschreiben ein freigesetztes Ich, das in einer heterogenen Umwelt mit verschiedenem Ideengut lebt und sich immer weniger als Sonderfall einer allgemeinen Substanz ansehen kann. Zunehmend mu es seine Identitat selbst formulieren, und die daraus hervorgehende Bewegung ist einerseits asthetisch fruchtbar, bringt neue Formen des Sprechens hervor. Gleichzeitig suchen die Autoren aber nach Auengroen, die dem Ich einen ubersubjektiven Halt geben. In diese Position einer neuen Notwendigkeit konnen eine lebensphilosophisch gedeutete Natur oder eine kunstreligios verstandene Literatur gebracht werden. Es gibt aber in diesem Zusammenhang auch Annaherungen an die totalitaren politischen Bewegungen, die in der Lage zu sein scheinen, das Verlangen nach einer Uberwindung der modernen Perspektivenvielfalt, nach einer mythologischen Reintegration der Gesellschaft zu befriedigen.
Die Studie untersucht das facettenreiche Handlungsgefüge der »Lehrjahre« und das ihm inhärente Motivgeflecht im Hinblick auf den psychischen Entwicklungsprozeß des Protagonisten. Im Zentrum der Analyse steht die Schleiersymbolik, die mit der für Wilhelm Meisters Identitätsbildung fundamentalen Vater-Sohn-Problematik verquickt ist. Sie speist sich aus einer Fülle von Kleidungsstücken, personellen Konstellationen, ästhetischen Bildern und literarischen Szenen. Gezeigt wird im einzelnen, wie sie den ganzen Roman durchzieht, alle entscheidenden Stationen der krisenhaften Identitätsgenese kodiert und den Konfliktzusammenhang von narzißtischen Identitätsentwürfen und realitätsbezogenen Identitätskrisen strukturiert und reflektiert. Besondere Beachtung erfährt dabei das Widerspiel von Ethos und Eros, das der Roman im Medium der Schleiersymbolik psychologisch entfaltet, um im Spannungsfeld von Schein und Vorschein dem lebensgeschichtlichen Wechselspiel von Innenwelt und Außenwelt Ausdruck und Gestalt zu verleihen. Die Arbeit wurde mit dem Jahrespreis 2003 der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg ausgezeichnet.
Die Libretti bildeten bislang eine der letzten veritablen Lücken der Goethephilologie. Goethe hat sich zeitlebens produktiv mit den europäischen Opernformen auseinandergesetzt. Zu den im Anhang gelisteten mehr als 200 ihm nachweislich bekannten Opern zählen die einflußreichsten Werke der Zeitspanne 1760-1830. Die Libretti (darunter u.a. »Erwin und Elmire«, »Claudine von Villa Bella«, »Lila«, »Jery und Bätely«, »Die Mystifizierten«, »Der Zauberflöte zweyter Theil«, »Der Löwenstuhl«, »Feraddedin und Kolaila«, »Pandora«, »Des Epimenides Erwachen«) bilden ein umfangreiches Werkkorpus, das entgegen der bislang vorherrschenden Forschungsmeinung eng mit den kanonischen Werken verknüpft ist. Die Goethe bekannten Opern und ihre librettistischen Verfahrensweisen fungieren als Matrix der Textanalysen. Im Ergebnis erweisen sich Goethes Libretti als so komplexe wie avantgardistische Konzeptionen, die in einer rasanten Entwicklungslinie die zeitgenössisch vor allem in Italien und Frankreich entstandene Verfahrensweisen aufgreifen. Methodik und Ergebnisse der Analysen zeigen ihre ganze Tragweite bei der Anwendung auf »Faust«: So läßt sich der häufig angedeutete Einfluß des Musiktheaters auf »Faust II« erstmals textanalytisch präzise nachweisen. Die Oper erweist sich darüber hinaus als folgenreiche und bislang in ihrer Bedeutung noch nicht erschlossene konzeptionelle Grundlage der Faustdichtung. Die Arbeit wurde mit dem Promotionspreis der Eberhard Karls Universität Tübingen ausgezeichnet.
Die vorliegende Studie untersucht Identitatsmuster von Autorschaft im Werk Clemens Brentanos (1778-1842) und fragt insbesondere nach der Funktion poetologischer und transzendentalphilosophischer Modelle von Androgynie. Dabei wird die Verwirrung der Geschlechteridentitaten, die nicht nur in Brentanos fiktionalen Texte zu beobachten ist, sondern die auch in den Briefen an Achim von Arnim und an Sophie Mereau eine bedeutende Rolle spielt, als literarisches Strukturprinzip gefat und in den Kontext einer narratologischen Analyse gestellt. Der Begriff der "e;androgynen Autorschaft"e; eroffnet nicht nur einen neuen Zugang zum Werk Brentanos, er ist auch fur die Romantikforschung insgesamt perspektivreich. Vorstellungen von Geschlecht sind in der Literatur um 1800 grundsatzlich auf poetologische Fragestellungen bezogen und mussen somit im Kontext der Aufwertung der Poesie gegenuber philosophischen Diskursen betrachtet werden. Eine Sonderfunktion literarischer Geschlechterkonstruktionen stellt dabei die utopische Vorstellung einer androgynen Ganzheit jenseits der Geschlechterdifferenz dar, wie sie vor allem dem romantischen Dichter zugeschrieben wird. Solche poetologischen Androgynenmodelle sind einerseits dem Geniekult des 18. Jahrhunderts verpflichtet; andererseits aber problematisieren sie durch den Aspekt der Doppelung oder Vielheit die Vorstellung vom Autor als einer einheitlichen und mit sich selbst identischen Person.
Am Modell der verschiedenen Fassungen des Melusineromans untersucht die Studie vergleichend die Bedingungen literarischer Produktion und Rezeption im französischen und deutschen Spätmittelalter. Zugleich werden grundsätzliche Fragen nach den sprachlichen, räumlichen, personellen und institutionellen Voraussetzungen verfolgt, unter denen sich die mittelalterliche Aneignung französischer Erzählstoffe im deutschen Sprachraum vom 12. bis zum 16. Jahrhundert vollzieht. Dabei zeigt sich, daß eine Reihe bisher geltender Forschungsmeinungen (etwa in bezug auf die Verbreitung von Sprachkenntnissen im deutschen Hochadel, die Rolle der Kleriker beim Literaturaustausch oder die geographisch begründete Annahme einer Vorreiterrolle des Westens) grundlegend zu revidieren sind. Der methodische Ansatz bei den spezifischen Erscheinungsformen mittelalterlicher Texte und den besonderen Bedingungen ihrer Existenz, der im Fall der »Melusine« nicht nur einen Einblick in die Handschriftenkultur des ausgehenden Mittelalters, sondern auch in die vielfältigen Veränderungsprozesse bei Eintritt des Romans in den Druck erlaubt, geht von der Überzeugung aus, daß zu einer umfassenden kulturgeschichtlichen Erforschung des deutsch-französischen Literaturtransfers im Mittelalter nicht nur die philologische Analyse der adaptierten Texte im Hinblick auf stoffliche und stilistische Übernahmen gehört, sondern ebenso eine buchgeschichtliche Untersuchung der Überlieferungszeugen.
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