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Die Forschungsagentur Forensic Architecture untersucht Kriegsverbrechen und ökologische wie politische Krisen und bringt sie mit ihrer "Investigativen Ästhetik" (MACBA 2017) in den Ausstellungs- wie Gerichtssaal. Lisa Stuckey untersucht anhand der Figuration 'Law on Trial' - Gesetz und Recht vor Gericht, auf dem Prüfstand, zur Verhandlung -, weshalb ausgerechnet ästhetischen und poetischen forensischen Verfahren eine radikale Befragung sozialer Gerechtigkeit überantwortet wird.In punktuellen Exkursen vergleicht die Studie Strategeme von Forensic Architecture mit denen der Medienkünstlerin Constanze Ruhm und der Poetin M. NourbeSe Philip. Nachdem das Recht im 18. Jahrhundert zum "Modellfall für Wissenssysteme" (Vismann/Weitin 2006) geworden ist, steht das heutige buchstäbliche Auf-die-Probe-Stellen von Recht im Zusammenhang mit einer neuen Dimension der Aufdeckung, die an die Institutionskritik der 1990er Jahre anschließt und zu einem Funktionswandel der Künste führt, in denen forensische Verfahren Konjunktur haben. Veröffentlichung mit Unterstützung des Austrian Science Fund (FWF)
Ähnlichkeit ist ein zentrales, doch theoretisch oft marginalisiertes ästhetisch-epistemologisches Paradima, das Literatur-, Kunst- und Kulturwissenschaften aktuell vermehrt in den Blick nehmen. Wird sie dabei meist als epistemologisch vormodern eingeschätzt, so wurde auf eine moderne "Ästhetik des Ähnlichen" (Funk et al., 2001) verwiesen. Ausgehend von dem Befund, dass Ähnlichkeit gerade im Milieu des Surrealismus eine bemerkenswerte Konjunktur entfaltet, wird untersucht, wie sie in dessen transversaler Programmatik von rationalen, repräsentationalen und identitären Maßstäben freigesetzt wird. Anschließend an Überlegungen zu einer theoretischen Konturierung der Ähnlichkeit werden die Vorgeschichte der modernen Ästhetik und Epistemologie des Ähnlichen skizziert und konzeptuelle Dimensionen der Ähnlichkeitskonzepte Metapher, Metamorphose, Simulacrum und Mimikry erarbeitet. Im zweiten Teil wird deren ,entgrenzter' Einsatz in Texten und Bildern André Bretons, Max Ernsts, René Magrittes und Roger Caillois' aufgezeigt. Die Studie bietet einen Überblick über Ähnlichkeitsreflexionen seit der Antike und versteht sich als Teil der Forschungsbemühungen um eine Re-Evaluierung der Ähnlichkeit und ihrer Persistenz in der ästhetischen Moderne.
Die BRD wird entweder als das Ergebnis einer politisch und zivilgesellschaftlich gelungenen deutschen Integrationsgeschichte der Deutschen in den Westen erzählt oder (aktuell) als eine postmigrantische Gesellschaft bestimmt. Doch keine der beiden Gegenwartsbefunde kann erklären, wie aus Deutschland seit dem Zivilisationsbruch eine Einwanderungsgesellschaft geworden ist. Dabei gibt es eine Geschichte zur Einwanderungsgesellschaft ¿ sie wurde nur noch nicht geschrieben. Ihre Spuren findet man in der Literatur, im Film, in Integrationsdebatten, sozialwissenschaftlichen, soziologischen Arbeiten, in Integrationstheorien und auch in juristischen Diskussionen seit Beginn der Migration in die Bundesrepublik. Narrative der Migration bringt genau diese Aspekte, Sedimente und Bereiche in ihrer historischen Folge in einen Zusammenhang und macht die Kulturgeschichte der deutschen Einwanderungsgesellschaft sichtbar. Sie ist geprägt von gestörten Kommunikationen, abgebrochenen politischen Prozessen, von sich wandelnden Begegnungsstrukturen und Praktiken. Als ein wichtiger Teil der Gegenwart eröffnet sie einen Blick auf informelle Beziehungen und Potentiale, die bislang kaum Beachtung gefunden haben.
SOS-Signale auf hoher See, Klopfzeichen in Trümmerfeldern, Flaschenposten am Strand: Wenn Menschen in Not geraten, müssen sie mit allen Mitteln auf sich aufmerksam machen. Sie müssen Lebenszeichen senden, um am Leben zu bleiben. Dieses Buch erforscht das Phänomen des Lebenszeichens erstmals aus der Perspektive von Medienkulturwissenschaft, Zeichentheorie und Existenzphilosophie. Anhand zahlreicher Katastrophenszenarien wie Erdbeben, Lawinen und Bergwerkunglücken zeigt die Studie, warum Menschen in Not existenziell von Medien und Kommunikationsmitteln abhängen: Keine Lebenszeichen ohne Signalfackeln, Peilsender, Satelliten oder Infrarotsensoren. Medien in Notfällen sind mehr als nur Mittel zur Kommunikation, sie sind Bedingungen menschlicher Existenz. Sie entscheiden, ob und wie sich Leben in Not äußern kann, ob Lebenszeichen Gehör finden und ob Leben gerettet wird. Damit werfen Lebenszeichen ein neues Licht auf die elementaren Bedingungen menschlichen Lebens: Sie zeigen uns, dass Menschen in Not nur überleben, wenn sie mit Artefakten, Netzwerken und Infrastrukturen verbunden sind, die ihre Existenz ermöglichen. Hochschulpreis der Bauhaus-Universität Weimar Ausgezeichnet mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung 2022 (2. Platz)
Merkur-Preis 2021 Die komparatistische Studie untersucht die Vorstellung des Versagens als eine Diskurs- und Denkgröße, die sich in westlichen kapitalistischen Gesellschaften erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herauszubilden beginnt. Das ,Versagen' hat seinen Ursprung im Feld der Technowissenschaften, greift um 1900 auf die Humanwissenschaften über und wird schließlich in Disziplinen wie der Psychoanalyse oder der Pädagogik mit der Dimension eines biographischen Fortschreitens verwoben. Das Buch zeigt anhand von Lektüren von Melville, Flaubert, Svevo und Kafka, wie die Kategorie des Versagens etwa zeitgleich auch in die Literatur einsinkt und dort sowohl gefestigt als auch unterlaufen wird. An der Denkfigur des Versagens lässt sich, so ein Fazit der Arbeit, eine seit dem späten 19. Jahrhundert zunehmende, kapitalistisch grundierte Stigmatisierung von Subjekten ablesen, die sich gesellschaftlichen Erwartungshaltungen gegenüber widerständig verhalten - womit in der modernen Denkfigur des Versagens zugleich eine verdeckte Geschichte des Willens in der Moderne eingelassen ist, oder genauer: eine Geschichte des Widerwillens gegenüber Erwartungshaltungen und Normen.
Entgegen der üblichen Avantgardeerzählungen, die sich vornehmlich um dynamische Prozesse drehen, erkundet dieser Band die statische Seite der Moderne. Piet Mondrian, Oskar Schlemmer und Gottfried Benn werden als "ästhetische Statiker" vorgestellt, die analog zu den Ingenieuren auf der Suche nach dem Gleichgewicht sind. Ihre Werke führen paradigmatisch vor, dass sich hinter dem Begriff der Statik weit mehr verbirgt als nur mathematische Formeln und technoide Formen.Neben diesen drei Avantgardisten kommen auch zahlreiche andere Künstler und Schriftsteller zu Wort. Auf diese Weise entfaltet sich ein schillerndes kultur- und theoriehistorisches Panorama.Die "statische Moderne" verhandelt zum einen die eng mit der mechanischen Statik verwobene Geschichte und Ästhetik der Eisenarchitektur, zum anderen bietet sie Raum für die Suche nach Harmonie, Ruhe, Universalität und Monumentalität. Der Wunsch, Statisches mithin Äquilibristisches zu schaffen, ist nur auf den ersten Blick etwas, das in einer Zeit purer Dynamik unpopulär ist. Vielmehr zeigt sich, dass die Statik die Klassische Moderne durchdringt und prägt.
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