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Während Gott als inspector cordium unmittelbar in die Seelen blickt, erscheint das Beobachtungsverhältnis zwischen Mensch und Teufel als immanent-mittelbares, laterales und potenziell reziprokes. Der nie nachlassende diabolische "Verführungsaktivismus" (Luhmann) erzeugt Aufmerksamkeitskonstellationen, deren Funktionen nicht auf disziplinierende Angsterzeugung reduziert werden können. Im Erzählen von Teufeln und Dämonen werden häufig zugleich Mechanismen sozialer Kontrolle verhandelt und Formen wachsamer Selbstbeobachtung profiliert. Die Beiträge des Bandes rekonstruieren in erster Linie narrative, daneben auch dramatische und theologische Modellierungen diabolischer Beobachtungsverhältnisse vom Alten Testament bis zu Luther und zum Faustmythos; ihr Schwerpunkt liegt auf spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erzähltexten, legendarischen wie auch schwankhaften, in denen der Teufel auf ganz unterschiedliche Weise als Akteur Gefährdungen des Sünders bewussthält. Zugleich zeichnet sich dabei bereits ab, wie die Wachsamkeit gegenüber dem Teufel die Herausbildung von Praktiken der Selbsterforschung forciert und damit zur Genese moralischer Subjektivität beiträgt.
Vigilanz wird alltäglich ausgeübt, etwa im Bereich der Sicherheit, des Rechts, der Religionen oder auch der Öffentlichen Gesundheit: überall dort, wo wir auf etwas achten, gegebenenfalls auch etwas tun oder melden sollen. Der Münchner SFB 1369, in dem dieser Band entstanden ist, untersucht die Geschichte, kulturellen Varianten und aktuellen Formen dieses Phänomens nichtinstitutioneller, aber doch hochgradig funktionaler Wachsamkeit. Der erste Band der Publikationsreihe ,Vigilanzkulturen' widmet sich der zeitlichen Dimension von Vigilanz. So wie menschliche Aufmerksamkeit erheblichen Schwankungen unterliegt, ist auch Wachsamkeit zeitlich instabil. Die hohe physiologisch-kognitive Intensität von Wachsamkeit lässt sich nur schwer auf Dauer stellen. Wird über längere Zeit hinweg ein ereignisloses oder unstrukturiertes Geschehen beobachtet, sinkt die Aufmerksamkeit oder richtet sich auf anderes. Kulturelle Anleitungen zur Wachsamkeit arbeiten daher in der Regel selbst mit zeitlichen Strukturen: mit Rhythmisierungen, Habitualisierungen oder Dramatisierungen. Sie geben vor, in welcher Abfolge Wachsamkeit herauf- oder herabgestuft werden soll oder sie variieren denkbare Gefahren. Sie arbeiten mit natürlichen Zeitverläufen (wie Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit), die sie, kulturell überformt, nutzbar machen. Darüber hinaus können auch Techniken und Medien helfen, Wachsamkeit zu verstetigen. Der Band untersucht diese zeitliche Gestaltung der Wachsamkeit anhand historisch spezifischer Konstellationen. Er versammelt Beiträge aus unterschiedlichen Disziplinen wie Geschichte, Ethnographie, Kunstgeschichte, Literatur- und Medienwissenschaft, um die Zeiten der Wachsamkeit zu erforschen.
Der Band thematisiert die sprachliche und allgemein semiotische Dimension von Vigilanz, verstanden als Setzung von Wachsamkeitspflichten im Individuum und Koppelung zwischen individueller Aufmerksamkeit mit kulturell vermittelten, überindividuellen Zielsetzungen einerseits, mit konkreten Handlungs- und Kommunikationsoptionen andererseits. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Überlegung, dass Zeichensysteme, indem sie soziale Funktionen ausüben, eine entscheidende Rolle in Prozessen und Kulturen der Vigilanz spielen. Wie die Beiträge des vorliegenden Bandes zeigen, können Sprachen der Wachsamkeit die Relationen zwischen den Akteuren verändern, normative Funktionen und regulative Effekte haben, der Markierung von Gefahren sowie der Orientierung von Aufmerksamkeit dienen, aber auch deren Intensität skalieren. Hier erweist sich, dass Sprachen der Wachsamkeit nicht nur Sprachen im linguistischen Sinne bezeichnen, sondern auch Symbolsprachen, Ton-, Bild-, und Körpersprachen, narrative Muster, Rhetoriken und Mythologien bis hin zur Gestik, Mimik und deren Kombinationen, Erprobungen und Erweiterungen etwa in Film und Theater. Dabei können diese vielfältigen Zeichensysteme sowohl Gegenstand von Wachsamkeit sein als auch als Instrument von Wachsamkeit fungieren und schließlich selbst zum Reflexionsmedium von Wachsamkeit werden. Der Band versammelt Beträge aus den Literatur-, Rechts-, Geschichts- und Theaterwissenschaften sowie aus der Theologie und Theologiegeschichte, in denen Phänomene der Sprachen der Wachsamkeit in unterschiedlichen Räumen, Epochen und Diskursen auf innovative Weise untersucht werden.
Italienische Literatur entsteht um 1600 in einem Schnittpunkt von poetologischen und religiösen Normierungsbestrebungen und unter wachsamer Beobachtung sowohl seitens einer kritisch diskutierenden literarischen Gemeinschaft als auch der gegenreformatorischen Zensur und Inquisition. Kirchliche Autoritäten kontrollieren die Literatur von außen, während die Literaten in einem Dialog des Aushandelns von Normen und der wachsamen Beratung und Kritik untereinander begriffen sind. Der Titel dieses Bandes benennt dies mit dem Begriff der ,Observanz' in seiner Doppelbedeutung von ,Beobachtung' und ,Regelbeachtung'. Diese Situation nur als äußere Beschränkung künstlerischen Schaffens zu fassen, wäre freilich reduktiv. Anhand von Texten unterschiedlicher medialer und gattungspoetischer Formate vom Epos bis zur Oper wird gezeigt, wie zwischen 1550 und 1650 dichterische Kreativität unter den besonderen Bedingungen dieser doppelten Observanz zu Lösungen, Evasionen oder Immunisierungen gelangt; wie Autoren auf die textuelle und mediale Gestalt ihrer Werke und auf die Gestaltung oder auch Verhüllung ihrer Autorschaft achtgeben und wie andererseits die Aufmerksamkeit der Rezipierenden auf Problemlagen fokussiert oder aber zerstreut werden kann.
Den Ausgangspunkt bildet die Beobachtung, dass christliche Autoren seit altkirchlicher Zeit die Gläubigen zur unablässigen, absoluten Aufmerksamkeit gegenüber Gott und sich selbst ermahnen, zugleich aber die Unmöglichkeit einer reinen und dauerhaften Aufmerksamkeit konstatieren und vor Gefahren der Ablenkung und Zerstreuung warnen. Die Beiträge des Bandes untersuchen, wie geistliche Texte, Liturgiken und Bilder diese Spannungen thematisieren und zugleich versuchen, die Aufmerksamkeit des Gläubigen zu schulen. Im Fokus stehen dabei die Kontinuitäten und Diskontinuitäten verschiedener Praktiken und Semantiken von Aufmerksamkeit im monastischen Kontext wie auch im Bereich der privaten, laikalen Frömmigkeit. Der Band versammelt Beiträge aus dem Bereich der germanistischen Mediävistik, der Amerikanistik, Theologie, Geschichts-, Rechts- und Literaturwissenschaft sowie der Indologie, in denen der Frage nach den Praktiken und Semantiken von Aufmerksamkeit und Wachsamkeit in unterschiedlichen Räumen, Epochen und Diskursen auf innovative Weise nachgegangen wird.
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