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Sarkophagen und Urnen verzierte der Heide mit Leben. Faunen tanzen umher, mit der Bacchantinnen Chor Machen sie bunte Reihe; der ziegengefüßete Pausback Zwingt den heiseren Ton wild aus dem schmetternden Horn. Cymbeln, Trommeln erklingen; wir sehen und hören den Marmor. Flatternde Vögel! wie schmeckt herrlich dem Schnabel die Frucht! Euch verscheuchet kein Lärm, noch weniger scheucht er den Amor, Der in dem bunten Gewühl erst sich der Fackel erfreut. So überwältiget Fülle den Tod; und die Asche da drinnen Scheint, im stillen Bezirk, noch sich des Lebens zu freun. So umgebe denn spät den Sarkophagen des Dichters Diese Rolle, von ihm reichlich mit Leben geschmückt.Kaum an dem blaueren Himmel erblickt' ich die glänzende Sonne, Reich, vom Felsen herab, Epheu zu Kränzen geschmückt, Sah den emsigen Winzer die Rebe der Pappel verbinden, Ueber die Wiege Virgils kam mir ein laulicher Wind: Da gesellten die Musen sich gleich zum Freunde; wir pflogen Abgeriss'nes Gespräch, wie es den Wanderer freut.Immer halt' ich die Liebste begierig im Arme geschlossen, Immer drängt sich mein Herz fest an den Busen ihr an, Immer lehnt mein Haupt an ihren Knieen, ich blicke Nach dem lieblichen Mund, ihr nach den Augen hinauf. Weichling! schölte mich Einer, und so verbringst du die Tage? Ach, ich verbringe sie schlimm! Höre nur, wie mir geschieht: Leider wend' ich den Rücken der einzigen Freude des Lebens; Schon den zwanzigsten Tag schleppt mich der Wagen dahin. Vetturine trotzen mir nun, es schmeichelt der Kämm'rer, Und der Bediente vom Platz sinnet auf Lügen und Trug. Will ich ihnen entgehn, so faßt mich der Meister der Posten, Postillone sind Herrn, dann die Dogane dazu! "Ich verstehe dich nicht! du widersprichst dir! du schienest Paradiesisch zu ruhn, ganz, wie Rinaldo, beglückt." Ach! ich verstehe mich wohl: es ist mein Körper auf Reisen, Und es ruhet mein Geist stets der Geliebten im Schoß.
Schwarze Röcke, seidne Strümpfe, Weiße höfliche Manschetten, Sanfte Reden, Embrassieren ¿ Ach, wenn sie nur Herzen hätten!Herzen in der Brust, und Liebe, Warme Liebe in dem Herzen ¿ Ach, mich tötet ihr Gesinge Von erlognen Liebesschmerzen.Auf die Berge will ich steigen, Wo die frommen Hütten stehen, Wo die Brust sich frei erschließet, Und die freien Lüfte wehen.Auf die Berge will ich steigen, Wo die dunkeln Tannen ragen, Bäche rauschen, Vögel singen, Und die stolzen Wolken jagen.Lebet wohl, ihr glatten Säle! Glatte Herren! glatte Frauen! Auf die Berge will ich steigen, Lachend auf euch niederschauen.
1. Die Sinngedichte an den Leser Wer wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? Nein. Wir wollen weniger erhoben, Und fleißiger gelesen sein. 2. Ebendieselben Wir möchten gern dem Kritikus gefallen: Nur nicht dem Kritikus vor allen. Warum? Dem Kritikus vor allen Wird auch kein Sinngedicht gefallen. 3. Auf den neuern Teil dieser Sinngedichte Ins zweimal neunte Jahr, mit stummer Ungeduld, Bewahrt', auf Besserung, sie mein verschwiegnes Pult. Was sie nun besser sind, das läßt sich leicht ermessen: Mein Pult bewahrte sie; ich hatte sie vergessen.
Die Dachstube ist der Kopf des Hauses. Unten zu ebener Erde, wo die Kaufläden sind, wo in hastigem Getriebe Handel und Wandel aus und ein gehen, befinden sich die geschäftigen Füße. Der behagliche Rentier im ersten Stock, dessen Hauptbeschäftigung es ist, zu verdauen, und dessen größte Sorge, wie er neuen Hunger gewinne, mag für einen würdigen Repräsentanten des Bauches gelten, und nun eine Treppe höher müßte das Herz sich befinden. Stehen nicht Blumen am Fenster, tönt nicht den ganzen Tag Gesang und Klavierspiel, sieht man nicht zuweilen schöne Mädchenköpfe zwischen den Blumen lauschen? Noch eine Treppe höher und wir gelangen zu den rührigen Armen und Händen des Handwerks, und dann hinaus zum Kopf: zur Dachstube. Hier wird am meisten gedacht und gedichtet und geträumt in der ganzen Stadt. Hier fliegen die Lieder aus, einige, gewaltig wie Adler, schwingen sich auf und schweben im Sonnenglanze über der erstaunten Welt; andere, wie kleine Waldvögel, flattern singend von Zweig zu Zweig und Liebende lauschen ihnen stillbeglückt. Hier schimmert in stiller Nacht noch lange die Lampe des Gelehrten wie ein einsamer Stern, hier ist das Reich des Gedankens und der Kunst.
Jede Erdichtung, womit der Poet eine gewisse Absicht verbindet, heißt seine Fabel. So heißt die Erdichtung, welche er durch die Epopee, durch das Drama herrschen läßt, die Fabel seiner Epopee, die Fabel seines Drama.Von diesen Fabeln ist hier die Rede nicht. Mein Gegenstand ist die sogenannte (aesopische) Fabel. Auch diese ist eine Erdichtung, eine Erdichtung, die auf einen gewissen Zweck abzielet.Man erlaube mir, gleich anfangs einen Sprung in die Mitte meiner Materie zu tun, um eine Anmerkung daraus herzuholen, auf die sich eine gewisse Einteilung der aesopischen Fabel gründet, deren ich in der Folge zu oft gedenken werde und die mir so bekannt nicht scheinet, daß ich sie, auf gut Glück, bei meinen Lesern voraussetzen dürfte.Aesopus machte die meisten seiner Fabeln bei wirklichen Vorfällen. Seine Nachfolger haben sich dergleichen Vorfälle meistens erdichtet oder auch wohl an ganz und gar keinen Vorfall, sondern bloß an diese oder jene allgemeine Wahrheit, bei Verfertigung der ihrigen, gedacht. Diese begnügten sich folglich, die allgemeine Wahrheit, durch die erdichtete Geschichte ihrer Fabel, erläutert zu haben; wenn jener noch über dieses die Ähnlichkeit seiner erdichteten Geschichte mit dem gegenwärtigen wirklichen Vorfalle faßlich machen und zeigen mußte, daß aus beiden, sowohl aus der erdichteten Geschichte als dem wirklichen Vorfalle, sich ebendieselbe Wahrheit bereits ergebe oder gewiß ergeben werde.
Ich hatte in meiner Jugend einige Fertigkeit im Drechseln und beschäftigte mich sogar wohl etwas mehr damit, als meinen gelehrten Studien zuträglich war; wenigstens geschah es, daß mich eines Tags der Subrektor bei Rückgabe eines nicht eben fehlerlosen Exerzitiums seltsamerweise fragte, ob ich vielleicht wieder eine Nähschraube zu meiner Schwester Geburtstag gedrechselt hätte. Solche kleine Nachteile wurden indessen mehr als aufgewogen durch die Bekanntschaft mit einem trefflichen Manne, die mir infolge jener Beschäftigung zuteil wurde. Dieser Mann war der Kunstdrechsler und Mechanikus Paul Paulsen, auch deputierter Bürger unserer Stadt. Auf die Bitte meines Vaters, der für alles, was er mich unternehmen sah, eine gewisse Gründlichkeit forderte, verstand er sich dazu, mir die für meine kleinen Arbeiten erforderlichen Handgriffe beizubringen.Paulsen besaß mannigfache Kenntnisse und war dabei nicht nur von anerkannter Tüchtigkeit in seinem eignen Handwerk, sondern er hatte auch eine Einsicht in die künftige Entwicklung der Gewerke überhaupt, so daß bei manchem, was jetzt als neue Wahrheit verkündigt wird, mir plötzlich einfällt: das hat dein alter Paulsen ja schon vor vierzig Jahren gesagt. Es gelang mir bald, seine Zuneigung zu erwerben, und er sah es gern, wenn ich noch außer den festgesetzten Stunden am Feierabend einmal zu ihm kam. Dann saßen wir entweder in der Werkstätte oder sommers denn unser Verkehr hat jahrelang gedauert auf der Bank unter der großen Linde seines Gärtchens. In den Gesprächen, die wir dabei führten, oder vielmehr, welche mein älterer Freund dabei mit mir führte, lernte ich Dinge kennen und auf Dinge meine Gedanken richten, von denen, so wichtig sie im Leben sind, ich später selbst in meinen Primaner-Schulbüchern keine Spur gefunden habe.
Ich forschte bleichen eifers nach dem horte Nach strofen drinnen tiefste kümmerniss Und dinge rollten dumpf und ungewiss Da traf ein nackter engel durch die pforte: Entgegen trug er dem versenkten sinn Der reichsten blumen last und nicht geringer Als mandelblüten waren seine finger Und rosen rosen waren um sein kinn. Auf seinem haupte keine krone ragte Und seine stimme fast der meinen glich: Das schöne leben sendet mich an dich Als boten: während er dies lächelnd sagte Entfielen ihm die lilien und mimosen Und als ich sie zu haben mich gebückt Da kniet auch ER · ich badete beglückt Mein ganzes antlitz in den frischen rosen.
Man findet sich in die Aufregungen einer imaginären Stadt versetzt. Ein neuer Gott wird erwartet. Donnerkopf (der im Roman nicht weiter hervortritt) hat seinen Wohnsitz auf einen Turm verlegt und gibt von dort buntscheckige Bulletins aus, die über den Fortgang der Angelegenheit unterrichten sollen. Ein lauer Abend bricht an. Auftreten eines Scharlatans, der auf dem Marktplatz eine Himmelfahrt in Aussicht stellt. Er hat sich dazu eine eigene Theorie ausgedacht, die er weitläufig vorträgt. Scheitert jedoch an der Skepsis des Publikums. Was das für Folgen hat.
Und so hatte er denn mitten im Semester den Wirthsleuten das Zimmer kündigen und umziehen müssen. Es war ihm zwar fast aus Herz gewachsen, das Stübchen mit dem weiten Blick über die Stadt hinweg, nach dem schönen, farbenwechselnden Ütliberg drüben, aber im Sommer galt es ja ohnehin die Läden zu verschließen, weil ihm den ganzen Tag die Sonne auf das einzige Fenster brannte. Und dazu der ewige Streit zwischen den Eheleuten, die sich mit jedem Monat schlechter vertrugen ¿ er war froh, als er seinen Trieb, alles beim alten zu lassen, damit es ginge, wie es Gott gefiele, endlich überwunden und die Änderung getroffen hatte.
STALENO. Sein, oder gewesen sein. Es sind nun bereits neun Jahre, daß er von hier wegreisete; und schon seit vier Jahren hat man nicht die geringste Nachricht von ihm. Wer weiß, wo er modert, der gute Anselmus! Es ist für ihn auch eben so gut. Denn wenn er wieder kommen sollte, und sollte sehen, wie es mit seiner Familie stünde, so müßte er sich doch zu Tode grämen.LEANDER. So haben Sie ihn wohl gekannt? STALENO. Was sollte ich nicht? Er war mein Herzensfreund.LEANDER. Und Sie wollen gegen seine Tochter so grausam sein? Sie wollen mich verhindern, sie wieder in Umstände zu setzen, die ihrer würdig sind?STALENO. Leander, wenn Er mein Sohn wäre, so wollte ich nicht ein Wort dawider reden; aber so ist Er nur mein Mündel. Seine Neigung könnte sich in reifern Jahren ändern, und wenn Er alsdann das schöne Gesicht satt wäre, dem der beste Nachdruck fehlt, so würde alle Schuld auf mich fallen.LEANDER. Wie? meine Neigung sollte sich ändern? ich sollte aufhören, Kamillen zu lieben? ich sollteSTALENO. Er soll warten, bis Er Sein eigner Herr wird; alsdann kann Er machen, was Er will. Ja, wenn das Mädchen noch in den Umständen wäre, in welchen sie ihr Vater verließ; wenn ihr Bruder nicht alles durchgebracht hätte; wenn der alte Philto, dem Anselmus die Aufsicht über seine Kinder anvertraute, nicht ein alter Betrieger gewesen wäre: gewiß, ich wollte selbst mein möglichstes tun, daß kein andrer, als Er, die Kamilla bekommen sollte. Aber: da das nicht ist, so habe ich nichts damit zu schaffen. Gehe Er nach Hause.
Wenn man gegen ein Uhr mittags zusammengekommen ist, kräftig gespeist, darauf den Kaffee getrunken, eine Partie Billard oder L'hombre miteinander gemacht, etwas Kuchen zur Vesper genommen, noch die Pferde besichtigt und einen Blick in den neuen Schafstall getan hat, während die Damen bei ihrem Strickstrumpf in ehrbar lehrreichen Gesprächen über Wirtschaft und Kinderzucht die Stunden verbrachten, so rückt allmählich, allmählich die Zeit für das Abendessen heran. Und ist das aufgedeckt und verzehrt, genügend mit gutem Rot- oder Rheinwein hinuntergespült ¿ die Herren Inspektoren und Volontäre helfen getreulich ¿ so ist es wohl nahe an 11 Uhr geworden, und bleibt nichts übrig, als Abschied zu nehmen. Der Bruder Sanitätsrat besteigt seinen Braunen; der Schwager Amtsrichter mit Frau und Kindern richtet sich ein auf seinem Gefährt, so gut es eben der Raum gestattet; der Neffe Förster und der Herr Pastor gehen zu Fuß. Es währt nicht sehr lange, so ist kein Gast mehr auf dem alten Heilwigshofe, bis auf den einen, der hier daheim ist, der neben dem Gutsherrn auf den Stufen vor der Tür des breiten, vielfenstrigen Wohnhauses steht und den sich Entfernenden nachschaut.
Der Hof im Kloster Laura am Athosgebirge. Links, sich in die Tiefe der Bühne erstreckend, das Klostergebäude; das Erdgeschoß massiv, fensterlos; das Stockwerk mit zahlreichen kleinen vergitterten Fenstern versehen. Ganz vorn ein gewölbter Durchgang, der die ganze Höhe des Erdgeschosses einnimmt und in den äußeren Klosterhof führt. Weiter zurück eine kleine Pforte, zu der zwei Stufen emporsteigen. Das ganze Haus nicht sehr hoch, so daß darüber hinweg eine mächtig anstrebende Felswand sichtbar wird, in deren Spalten vereinzelte Taxusbäume und seltsame, große Blumen wachsen. An dem Hause entlang läuft, durch eine niedere Mauer gegen den Abgrund abgegrenzt, ein schmaler Gang, der in der Tiefe der Bühne um das Gebäude herumbiegt. Nach rückwärts ist der Hof ebenfalls durch eine niedrige Mauer geschlossen, die sich in der Mitte etwa zu einem hinausspringenden Balkon ausbuchtet. Darüber hinweg sieht man in der Tiefe das ägäische Meer, tiefblau, mit einzelnen fernen, weißschimmernden Inseln. Rechts die Kirche; das Mauerwerk plump, massig, schmucklos. Das Portal mit Mosaik und Gold schier überladen. Breite Stufen führen zum Portal hinauf. Im Winkel zwischen Kirche und Hofmauer hängt unter einem Holzdach eine Glocke, die mit der Hand geschlagen wird. Hinter der Kirche hervor zieht sich das Waldgebirge im Bogen gegen die Mitte des Hintergrundes, um in einem trotzigen Vorgebirge zu enden.
In Jeddam gab es nur einen einzigen Juden, der auf folgende Weise dorthin verschlagen war: Seine Frau, mit der ihn treueste Liebe verband, war aus Jeddam gebürtig, und als ihr Vater mit Hinterlassung bedeutender Ländereien starb, war es wünschenswert, daß sie sich zur Regelung ihrer Erbschaft selbst hinbegebe. Mit der Möglichkeit, das Vaterhaus wiederzusehen, erwachte in ihr das Heimweh, und die Familie, die aus Vater, Mutter und zwei kaum erwachsenen Kindern bestand, trat die weite Reise an. Da nun der Ort Jeddam, mit mehr dörflichem als städtischem Charakter, so trotzig und anmutig zwischen mäßig hohen Bergen, reichen Saatfeldern und grünen Geländen lag, die das Flüßchen Melk bewässerte, und da die Frau sich in ihrer vertrauten Kinderheimat so wohl fühlte, willigte der gutmütige Mann ein, ganz und gar überzusiedeln. Er konnte freilich nicht daran denken, das große Gut seiner Frau selbst zu bewirtschaften, sondern stellte dazu einen jungen Verwalter an, während er selbst ein Geschäft in dem Ort eröffnete, wie er es früher betrieben hatte. Da es ein solches in Jeddam bisher nicht gegeben hatte und die Einkäufe in der nächsten größeren Stadt besorgt worden waren, hätte das Geschäft wohl gedeihen können, wenn nicht der Inhaber ein Jude gewesen wäre, von welchem Volke die Bewohner von Jeddam durchaus nichts wissen wollten. Verkauft wurde zwar genug, aber wenig bezahlt, und wenn Herr Samuel die ausstehenden Gelder einklagen wollte, mußte er erleben, daß sich die Behörden seiner nicht annahmen und er höchstens Prozeßkosten zahlen mußte, ohne zu seinem offenkundigen Recht kommen zu können. Es machte ihm oft Sorgen, was daraus werden sollte, und er wäre gern mit den Seinigen auf und davon gegangen, wenn er gewußt hätte, wie er in dieser feindseligen Umgebung zu seinem Gelde kommen und die Güter seiner Frau ohne zu großen Schaden verkaufen sollte.
Am südlichen Ende Prags, auf einem gegen die Moldau felsig abstürzenden Hügel, erhebt sich ernst und düster die Wyschehrader Zitadelle. Es läßt sich im Umkreise einer großen, volkreichen Stadt nichts einsam Abgeschiedeneres denken als dieses alte, ziemlich ausgedehnte Fort. Denn die Besatzung beschränkt sich in Friedenszeiten auf eine Offizierswache von geringer Stärke, die nur den allernötigsten Sicherheitsdienst an den Toren und auf den Wällen versieht. Die Kasematten und Blockhäuser im Innern stehen leer und verödet, und die spärlich gefüllten Pulvermagazine scheinen wie die Belagerungsgeschütze nur da zu sein, um einem invaliden Unteroffizier der Artillerie zur Sinekure eines Zeugwartes zu verhelfen. Auch die Poststraße, welche durch die Zitadelle über den Rücken des Hügels nach Budweis führt, wird nur wenig benützt. Harmlose Spaziergänger nach dem nahen anmutigen Dorfe Podol, Landleute aus der Umgegend, welche Lebensmittel zum Prager Markt bringen, und hin und wieder ein bestäubter Wanderbursche sind fast die einzigen Passanten der Festungstore. So herrscht innerhalb der Wälle gewöhnlich die tiefste Stille, die nur selten durch das Rollen eines Wagens, regelmäßig aber am frühen Morgen, mittags und abends durch den Wachetambour mit rasselnden Trommelsignalen unterbrochen wird.
Im Vorzimmer fand Maximilian den Arzt, wie er eben seine schwarzen Handschuhe anzog. »Ich bin sehr pressiert«, rief ihm dieser hastig entgegen. »Signora Maria hat den ganzen Tag nicht geschlafen, und nur in diesem Augenblick ist sie ein wenig eingeschlummert. Ich brauche Ihnen nicht zu empfehlen, sie durch kein Geräusch zu wecken; und wenn sie erwacht, darf sie beileibe nicht reden. Sie muß ruhig liegen, darf sich nicht rühren, nicht im mindesten bewegen, darf nicht reden, und nur geistige Bewegung ist ihr heilsam. Bitte, erzählen Sie ihr wieder allerlei närrische Geschichten, so daß sie ruhig zuhören muß.«»Seien Sie unbesorgt, Doktor«, erwiderte Maximilian mit einem wehmütigen Lächeln. »Ich habe mich schon ganz zum Schwätzer ausgebildet und lasse sie nicht zu Worte kommen. Und ich will ihr schon genug phantastisches Zeug erzählen, soviel Sie nur begehren... Aber wie lange wird sie noch leben können?«»Ich bin sehr pressiert«, antwortete der Arzt und entwischte.Die schwarze Debora, feinöhrig wie sie ist, hatte schon am Tritte den Ankommenden erkannt und öffnete ihm leise die Türe. Auf seinen Wink verließ sie ebenso leise das Gemach, und Maximilian befand sich allein bei seiner Freundin. Nur dämmernd war das Zimmer von einer einzigen Lampe erhellt. Diese warf dann und wann halb furchtsame, halb neugierige Lichter über das Antlitz der kranken Frau, welche, ganz angekleidet, in weißem Musselin, auf einem grünseidnen Sofa hingestreckt lag und ruhig schlief.Schweigend, mit verschränkten Armen, stand Maximilian einige Zeit vor der Schlafenden und betrachtete die schönen Glieder, die das leichte Gewand mehr offenbarte als verhüllte, und jedesmal, wenn die Lampe einen Lichtstreif über das blasse Antlitz warf, erbebte sein Herz. »Um Gott!« sprach er leise vor sich hin, »was ist das? Welche Erinnerung wird in mir wach? Ja, jetzt weiß ich's. Dieses weiße Bild auf dem grünen Grunde, ja, jetzt...«
Tintenkleckse (schwäbisch Tintensäue), die auf der Seite des Falzes (auf dessen rechter oder linker Seite, aber nie auf beiden) eines zusammengelegten Papiers gemacht werden, geben (nachdem man das Papier über dieselben legte und sie dann mit dem Ballen oder dem Finger der Hand bestreicht), kraft ihrer Doppelbildung, die sie durch ihr Zerfließen und Abdruck auf dem reinen Raume der anderen Seite der Linie erhalten, der Phantasie Spielraum lassende Gebilde der verschiedensten Art. Bemerkenswert ist, daß solche sehr oft den Typus längst vergangener Zeiten aus der Kindheit alter Völker tragen, wie zum Beispiel Götzenbilder, Urnen, Mumien und so weiter. Das Menschenbild wie das Tierbild tritt da in den verschiedensten Gestalten aus diesen Klecksen hervor, besonders sehr häufig das Gerippe des Menschen. Wo die Phantasie nicht ausreicht, kann manchmal mit ein paar Federzügen nachgeholfen werden, da derHaupttypus meistens gegeben ist. So kann zum Beispiel ein Menschenbild in seiner ganzen Gestalt und Bekleidung herauskommen, jedoch vielleicht ohne Kopf, Hand und so weiter, wo, was auch in nachstehendem geschehen, hie und da das Fehlende leicht zu ersetzen ist. Bemerkt muß werden, daß man nie das, was man gern möchte, hervorbringen kann und oft das Gegenteil von dem entsteht, was man erwartete. Es kamen also auch diese hier gegebenen sogenannten Hadesbilder nicht durch meinen Willen und durch meine Kraft hervor, ich bin der Zeichenkunst ganz unfähig, sondern sie kamen auf jene oben beschriebene Weise allein durch Tintenkleckse zutage und erforderten dann oft gar keine, oft nur unerhebliche Nachhilfe durch einige Federstriche oder durch künstliche Nachzeichnung von Gesichtern. Zu bemerken habe ich auch noch, daß diese Bilder natürlich nicht nach dem Texte, sondern daß der Text nach ihnen gemacht wurde, und so möge auch der Leser und Betrachter dieser Blätter sie und ihre Erklärung in Versen mit Nachsicht aufnehmen.Im Februar 57.
In der Süderstraße meiner Vaterstadt, dem Gäßchen gegenüber, das nach dem St.-Jürgens- Kirchhof und über diesen an dem Stift entlang nach der Norderstraße führt, stand seit Anfang des 17. Jahrhunderts ein kleines Haus, über dessen Eingangstür sich ein in Sandstein ausgehauenes Bild befand: ein Mann in einem Schifflein, zu dem durch hohe Wellen der Tod geschwommen war und schon den Mann zu sich ins Meer hinabriß; darunter stand: »Up Land un See«. Es hieß, ein Steinhauer habe derzeit sich das Haus gebaut und zum Gedächtnis seines Vaters, der als kleiner Schiffer zwischen den Inseln gefahren war und dabei im Sturme seinen Tod gefunden hatte, dieses Epitaphium angefertigt.Im dritten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts, nachdem die derzeitige alte Inhaberin gestorben war, sah man mehrfach einen untersetzten Mann, alltags mit einem Schurzfell, sonntags in langem blauem Tuchrock und Stulpstiefeln, davor stehenbleiben und allmählich unter den kleinen Lindenbaum treten, dessen lang und schmal geschorene Krone sich zwischen dem Bilde und dem Giebelfenster streckte. Nachdem seine blaßblauen Augen wieder eines Tages an dem Steinbilde gehaftet hatten, griff er an die Türklinke, um ins Haus zu treten: aber es war verschlossen; durch die Butzenscheiben des Türfensters sah er auf einen langen schmalen Flur und durch einen offenen Eingang am Ende desselben in ein weites leeres Zimmer, in das von der Hofseite her die Mittagssonne schien. Langsam kehrte der Mann sich ab und schritt die Süderstraße hinunter bis auf den Markt, wo er die Steintreppe zum Rathaus hinaufstieg.
Du stets noch anfang uns und end und mitte Auf deine bahn hienieden · Herr der Wende · Dringt unser preis hinan zu deinem sterne. Damals lag weites dunkel überm land Der tempel wankte und des Innern flamme Schlug nicht mehr hoch uns noch von andrem fiebern Erschlafft als dem der väter: nach der Heitren Der Starken Leichten unerreichten thronen Wo bestes blut uns sog die sucht der ferne .. Da kamst du spross aus unsrem eignen stamm Schön wie kein bild und greifbar wie kein traum Im nackten glanz des gottes uns entgegen: Da troff erfüllung aus geweihten händen Da ward es licht und alles sehnen schwieg.Der du uns aus der qual der zweiheit löstest Uns die verschmelzung fleischgeworden brachtest Eines zugleich und Andres · Rausch und Helle: Du warst der beter zu den wolkenthronen Der mit dem geiste rang bis er ihn griff Und sich zum opfer bot an seinem tage .. Und warst zugleich der freund der frühlingswelle Der schlank und blank sich ihrem schmeicheln gab Und warst der süße schläfer in den fluren Zu dem ein Himmlischer sich niederliess. Wir schmückten dich mit palmen und mit rosen Und huldigten vor deiner doppel-schöne Doch wussten nicht dass wir vorm leibe knieten In dem geburt des gottes sich vollzog.
Verzweiflung 3/253/253/25O Blitze, zuckt in mich hinein Aus Armut, Zweifel, Sturz und Tod Und steigert wenigstens meine Not Zu höherem, wenn auch schwärzerem Sein. Brennt doch hinein in meinen Geist Und reißt zerstörend ihn hinab Und schmeißt ihn weg zu Schutt und Grab, Wenn innere Not ihn nicht zerbeißt. Werft Pulver doch in mich hinein, Schießt meinen Körper doch zusammen, Ergießt euch, hergesehnte Flammen, Vernichtend in mein halbes Sein. Zerbrecht doch meiner Seele Band, Das überm Abgrund sie noch hält, Daß sie, so schlaff und schwach gespannt, Zerrissen in die Tiefe fällt! Türmt doch in meinem Innern auf Ein wirkliches, faßbares Weh, Aus Gift und Blut und Falln im Lauf, Aus Dämon, Wüste, Nord und Schnee! Doch nicht dies blasse Halbverzagen, Doch nicht dies schale Halbverwehn, Laßt lieber mich ein Ganzes tragen An Haß und donnerndem Vergehn! Wirbelt mich durch der Welten Schmach, Schleift mich durch Tier und dumpfes Sein, Und wenn ich nicht an mir zerbrach, Zerbrecht mich doch an anderer Pein! Doch nicht dies dumpfe Nichtvertraun, Kein Blitz, kein Blühen, kein Erhellen, Kein Wald, kein Lachen, keine Quellen, Kein fester Grund, auf dem zu baun. Zerrt mich zerknickt durch Höllenmund, Durch Rauch und Ruten und Spelunken, Daß ich zerknittert und zertrunken So tief, o Schmerz, in dich gesunken, An dir erst werde recht gesund!
Großes Zimmer. Gemütliche Einrichtung im Biedermeierstil; weiße Vorhänge an den Fenstern. Rechts ein runder Tisch, ein Kanapee, mehrere Stühle; vor einem Fenster ein Lehnstuhl; ein Flügel rechts. Eine Türe in der Mitte, eine Türe links.FRAU GISELIUS stellt auf einen weißgedeckten kleinen Nebentisch ein Blumenbukett und ordnet einige Geschenke, die dort liegen.PROFESSOR GISELIUS tritt durch die Mitte ein. Nun frage ich zum dritten Mal, wo sind meine Zeitungen?FRAU GISELIUS sich halb umwendend. Dort auf'm Flügel.PROFESSOR GISELIUS. M-ja, richtig. Nimmt sie weg. Es ist merkwürdig, daß ich jeden Tag eine Forschungsreise nach meinen Morgenblättern machen muß. Warum liegen sie nicht in dem dazu angebrachten Behälter?FRAU GISELIUS. Weil sie der Herr Geheimrat jed'smal herausnimmt und irgendwohin legt.PROFESSOR GISELIUS. So? Sich nach ihr umsehend. Was machst du denn eigentlich da, Tildchen?
O let those cities, that of plenty's cup And her prosperities so largely taste, With their superfluous riots hear these tears-ShakespeareWie mannigfaltig sind die Arten des menschlichen Elends! Wie unerschÖpflich ist diese Fundgrube fÜr den Dichter, der mehr durch sein Gewissen, als durch Eitelkeit und Eigennutz sich gedrungen fühlt, den vertaubten Nerven des Mitleids für hundert Elende, die unsere Modephilosophie mit grausamen LÄcheln von sich weist, in seinen Mitbürgern wieder aufzureizen! Wir leben in einem Jahrhundert, wo Menschenliebe und Empfindsamkeit nichts Seltenes mehr sind: woher kommt es denn, daß man so viel Unglückliche unter uns antrifft? Sind das immer Unwürdige, die uns unsere durch hellere Aussichten in die Moral bereicherten Verstandesfähigkeiten als solche darstellen? Ach! ich fürchte, wir werden uns oft nicht Zeit zur Untersuchung lassen, und, weil wir unsere Ungerechtigkeiten desto schöner bemänteln gelernt haben, aus allzugroßer Menschenfreundschaft desto unbiegsamere Menschenfeinde werden, die zuletzt an keinem Dinge außer sich mehr die geringste moralische Schönheit werden entdecken können, und folglich auch sich berechtigt glauben, an dem menschlichen Geschlecht nur die Gattung, nie die Individuen zu lieben.Folgende Erzählung, die aus dem Nachlaß eines Magisters der Philosophie in Leipzig gezogen ist, wird, hoffe ich, auf der großen Karte menschlicher Schicksale verschiedene neue Wege entdecken, für welche zu warnen noch keinem unserer Reisebeschreiber eingefallen ist, ob schon unser Held nicht der erste Schiffbrüchige darauf gewesen.
Nachts gestern von dir heimgegangen. Wie Schnee ists unterm Mond gelegen. Da fühlt ich wiederum den Segen Der weißen Nacht mit heißen Wangen. Das tief Vertraute hat gesprochen, Es lindert sich die starre Kehle. Da war mit einemmal der Seele Der arg verjährte Star gestochen. O Gott, wie ists? Darf ich denn wieder Mein längst verbotnes Herz auskramen? Du Freundliche, in deinem Namen! Ich lege Wehr und Würde nieder. Darf ich die keusche Kindersage In dein geneigtes Ohr dir flüstern? Ich rette Gold aus dem Verdüstern. Da nimm die Lilien früher Tage!
Als ich vor fünf Jahren in leidenschaftlicher Liebe für Susanne entbrannte, da warnte mich meine Mutter: »Du bist vierzig Jahre alt, sie ist achtzehn. ¿ Nimm dich in acht!« ¿ Ich schlug die Worte in den Wind. Ich fühlte mich nicht alt, und ich glaubte der Geliebten alles bieten zu können, wonach ihr junges Herz sich sehnen mochte: einen großen Namen, eine große gesellschaftliche Stellung, ein großes Vermögen und einen treuen und starken Gefährten, dessen erste Aufgabe es sein und bleiben würde, ihr die Pfade des Lebens zu ebnen. Sie erschrak, als ich sie fragte, ob sie meine Frau werden wollte, sie wurde abwechselnd blaß und rot, und ihre Stimme zitterte, als sie mir antwortete: »Sollte mir, der Verwaisten, der Armen so großes Glück beschieden sein? Ich kann es nicht glauben.« ¿ Die Lider, die sie zu Boden geschlagen hatte, hoben sich langsam, und die reinen blauen Augen strahlten mich an in Dankbarkeit und in Liebe ¿ ja, in Liebe. Da ergriff ich ihre Hand und zog sie an meine Brust, und sie vergoß Tränen des Glücks.
Dem Drängen und Treiben bin ich nun glücklich entronnen. Hier ist es fast friedlich und still, ich möchte beinahe vergessen, daß ich in einer großen Stadt wohne, tönte nicht ein fernes Rollen und Brausen zu mir her, gleichsam das Wogenrauschen des ewig flutenden Menschenmeeres. Im Winter, da ging es schon an; zumal ich fremd in der Stadt, und mir das ungewohnte Leben und Hasten neu war. Ich wohnte so recht mitten darin, wo Handel und Verkehr in den engen Adern winkeliger und verräucherter Straßen mächtig pulsieren. Nun aber, da der Frühling ins Land kam, zog es mich hinaus in die Stille der Vorstadt, wo man dem Frühling ins Angesicht sehen kann, wo es noch Bäume gibt und junges Grün und blühende Gärten, wo man außer der unvermeidlichen Drehorgel auch einmal den Schlag eines Vogels vernimmt, und wo der Donner des Himmels nicht untergeht im Geräusch des lauten Tages. Heute gab es das erste Gewitter, und unter Blitz und Donner hielt ich den Einzug in mein neues Reich. Meine Fenster schauen auf einen zum Nebenhause gehörigen großen Garten hinaus ¿ und als sich das Wetter verzogen hatte und die siegreiche Sonne milde wieder hervortrat, öffnete ich das Fenster und ließ den frischen Duft der erquickten Erde zu mir herein. Von den jungen Blätterknospen rannen die blitzenden Perlen; ein sanfter Regen vertropfte langsam, wie von der sinkenden Sonne ausgetrunken, und ein schöner Regenbogen stieg aus dem leuchtenden Knospengrün auf in das einförmige Grau des Himmels.
Wenn das Kind im Märchen hört, ¿er ging bis an das Ende der Welt¿, so scheint ihm das Ziel nicht weiter erstaunlich und der Weg für einen Märchenprinzen schon ergehbar. Denn hinter Stadt, Dorf und Wald, ja vielleicht schon hinter dem Gartenzaun liegt für das kleine Kind in seiner Phantasie das Ende der Welt; nahe und doch unendlich weit, weil seinem Welterkennen immer Neues entgegentritt, mit dem es sich erst auseinandersetzen muß. Der Forschungsreisende, der nach langer Fahrt unbekanntes Land erblickt, erlebt im Grunde nichts Wunderbareres als das kleine Kind, das zum ersten Male eine Straße entlang geht, einen Garten betritt, dem sich eine bisher unbetretene Stube, eine Bodenkammer öffnet. Tut das Kind allein seine ersten Schritte und geht etwa bis zu einem Stuhl, so ist ihm der Stuhl im Augenblick Weltgrenze und Ziel. Doch weitet sich für das Kind rasch der Weltbegriff. Hinter dem Stuhl liegt die Türe, der Flur kommt, die Treppe, das Haus tut sich auf und Straße, Hof und Garten dehnen sich vor ihm, neue Gegenstände, neue Menschen treten in den Umkreis seines Blickes und jedes Wort, das es hört, jede Blume, jedes Insekt, ein Kieselstein, ein Schneckenhaus, eine Regenlache und alles was geht, kommt und fährt erweitern des Kindes Weltbild, erweitern es heute namentlich bei dem Großstadtkind mit beängstigender Schnelligkeit; doch auch das Kleinstadtkind, ja selbst das vom Lande, wenn es nicht in völlig abgelegener Gegend wohnt, lernt im Maschinenzeitalter die Welt ungleich rascher kennen als die Kinder früherer Zeiten.Zum sinnlichen Welterfassen tritt frühe auch das Streben, sich mit Gott auseinanderzusetzen; freilich, der Himmel, der sich über uns wölbt mit Sonne, Mond und Sternen, erscheint dem Kinde greifbar nahe, und wie es oftmals begehrt, die lieben kleinen Sterne in seine Händchen zu nehmen, es den Mond verlangt und die Sonnenstrahlen fangen will, so nahe, menschlich nahe scheint ihm der liebe Gott zu sein. Der ist ihm meist der gute alte Mann, der irgendwo hinter der blauen Himmelswand sitzt, mit dem es sich abends in seinem Bettchen aussprechen kann, ja mit dem es gelegentlich auch etwas schilt wie jenes kleine Mädchen, das bei einem plötzlichen Regenguß auf die frisch geputzten Fenster weisend, mit erhobenem Fingerlein mahnte: ¿Na warte nur, lieber Gott, wenn das die Mama sieht.¿
Ich habe Dir in ernsten stillen Stunden, Betrachtungsvoll in heil'ger Einsamkeit, Die Blumen dieser und vergangner Zeit, Die mir erblüht, zu einem Kranz gewunden. Von Dir, ich weiß es, wird der Sinn empfunden, Der in des Blüthenkelchs Verschwiegenheit Nur sichtbar wird dem Auge, das geweiht Im Farbenspiel den stillen Geist gefunden. Es flechten Mädchen so im Orient Den bunten Kranz; daß vielen er gefalle, Wetteifern unter sich die Blumen alle. Doch Einer ihren tiefern Sinn erkennt, Ihm sind Symbole sie nur, äußre Zeichen; Sie reden ihm, obgleich sie alle schweigen.
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