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R. A. STEIN, der Wegbereiter der Erforschung des tibetischen Erzählkom plex von Geser Khan, hat jüngst in einem Vorwort zu einer geplanten Text ausgabe der tibetischen Geser-Texte die Bedeutung der mongolischen Ausfor mungen dieser überlieferung, der man immer mehr bereit ist, einen Platz un ter den großen Epen der Weltliteratur einzuräumen, betont, indem er sagte: "But it is in Mongolian that the story has been known for centuries in many versions, written and oral, as in translations or as adaptions, z'n classz'cal writ ten language or in various dialects, especz'ally Khalkha, Kalmuk and Burz'at" 1 ¿ Siebzig Jahre nachdem die ersten sieben Kapitel des mongolischen Geser Zyklus als "Buch"-Epos in der Fassung des Pekinger Blockdrucks von 1716 in der Ausgabe und übersetzung durch ISAAK JAKOB SCHMIDT 1836- 2 39 zugänglich und bekannt geworden waren, stellte BERTHOLD LAUFER 1908 die Forderung nach einer Untersuchung der einzelnen Bestandteile die ser Fassung von 1716, indem er die einheitliche Entstehung des Werkes zu rückwies und sagte: "Es zezgt sz'ch vielmehr deutlz'ch, daß das Buch aus ver schz'edenen, oft nur lose unterez'nander verbundenen Teilen zusammengesetzt z'st, dz'e auf verschz'edenen Uberlieferungen oder Handschriften zurückgehen ", Bedauernd fügt B, LAUFER dann die Bemerkung an: "Leider verfügen wir noch nicht über eine eingehende kritische Analyse dieser einzelnen Bestand tez'le"3 - die Quellenlage war zu Beginn unseres Jahrhunderts nicht ausrei chend. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden weitere Kapitel eines mongo lischen Erzählzyklus über Geser Khan bekannt.
Besondere Aufmerksamkeit verdient das Problem der Archivierung von Tonbandaufnahmen. Sie steUen oft die einzigen Dokumente dahinschwinden der mundlicher Dberlieferungen dar; urn ihre Erhaltung soUte man daher uber aus besorgt sein, zumal Tonbandaufnahmen durch zahlreiche Einflusse, nicht zuletzt durch die kosmische Strahlung, permanent gefahrdet sind. Auf der Arbeitstagung fand unter den Teilnehmern ein Erfahrungsaustausch uber die derzeit und in naher Zukunft am besten geeigneten Tontrager zur Archivie rung von Tonbandaufnahmen statt. Die Probleme der Archivierung von mundlichen Dberlieferungen gehen jedoch weit uber die der Archivierung von Tonbandaufnahmen hinaus. Vor aUem in Osteuropa gibt es au6erordentlich umfangreiche Archive schriftlich aufgezeichneter mundlicher Traditionen. So begann beispielsweise die Sam meltatigkeit der Esten auf dies em Gebiet bereits im 17. Jahrhundert. Das Archiv der Estnischen Folklore umfa6te 1981 nicht weniger als 1.134.020 Sei 4 ten und 33.995 Stucke in einer Phonothek. Das Material aus dies en Ar chivsammlungen wurde bislang nur zu einem Bruchteil veroffentlicht und wis senschaftlich bearbeitet. Das Problem der Bewaltigung solcher Stoffmassen, auch mit modernen Methoden der Daten-und Textverarbeitung, beschaftigt zahlreiche Wissenschaftler. 3. Zum Problem der Publikation von mundlichen Dberlieferungen wurde die Frage erortert, welche Auswahl aus dem in der Regel sehr umfangreichen Material nach welchen Kriterien getroffen werden soUte. Mit dem "NormaUe ser" taucht die Frage nach popularen bzw. wissenschaftlichen Editionen auf.
Zu den Aufgaben einer Akademie der Wissenschaften gehoren nieht nur die sogenannten Langzeitvorhaben wie die Herausgabe des Grimmschen Worterbu ches oder des von der Nordrhein-Westfalischen Akademie betreuten Reallexikons und Jahrbuches fiir Antike und Christentum oder - in den monatlichen Sitzungen der beiden Klassen fiir Geisteswissenschaften und fiir Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften - die Diskussion wissenschaftlicher Themen und Entwieklungen, sondem es ist auch eine gem iibemommene Verpflichtung der Akademie, intemationale Symposien zu bestimmten Fragen der Wissenschaft anzuregen und zu unterstiitzen. In einer Zeit, in der man von der schriftlichen Tradition zu den sogenannten Neuen Medien iiberzugehen scheint, ist es sicherlich berechtigt, den Blick zuriickzulenken auf eine Epoche, in der es noch keine oder nur eine unzureichende schriftliche Tradierung gab, oder auf Ethnien, in denen heute noch die iilteste Kommunikations methodik der oralen Dbertragung dichterischer Erzeugnisse lebendig ist. Wiihrend man in friiheren Jahrhunderten derartige miindliche Quellen weitgehend vemach liissigte, ist es in Europa seit d~m 19. Jahrhundert zu einer intensiven Beschiiftigung mit diesem wiehtigen, bis heute in vielen Teilen der Welt brachliegenden Quellenmaterial gekommen. Gerade ein Medizinhistoriker wie ich, der sich derartiger miindlicher Uberlieferungen bei seinen Untersuchungen iiber die Ethno medizin verschiedenster Volkerschaften zu bedienen hat, darf sich besonders freuen, daB von sachkundigen Kennem Formen und Funktion dieser miindlichen Traditionen in aller Welt behandelt werden und damit neue AnstoBe zu einer intensiveren Beschiiftigung mit dieser Forschungsrichtung gegeben werden.
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