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Im Nachgang zu seinen Arbeiten an der ikonischen Kreatur für den Film Alien (Ridley Scott, 1979) - in die die ebenfalls in der Edition Patrick Frey erschienenen Alien Tagebücher (2013, Erstauflage) vertieft Einblick geben -, etablierte sich der Schweizer Künstler HR Giger in Hollywoods Horror- und Science-Fiction-Genre. Eines der Folgeprojekte war der zweite Teil der Poltergeist-Franchise, Poltergeist II: The Other Side (Brian Gibson, 1986). Nach dem Drehbuch von Michael Grais und Mark Victor schuf Giger sämtliche der Geisterentwürfe für den Film. Im Gegensatz zur Alien-Produktion in den britischen Shepperton-Studios führte Giger die Entwürfe in Zürich aus und schickte Aufnahmen der Airbrush-Ausarbeitungen per Luftpost nach Los Angeles. Seine Abwesenheit, eine von Missverständnissen geprägte Zusammenarbeit mit Regisseur und Studio sowie ein knappes Produktionsbudget und führten dazu, dass die dunkle Abgründigkeit die amorphe Plastizität von Gigers ersten, gestaltwandlerischen Skizzen sich filmisch nicht übertragen, sondern einem campy B-Movie ähneln. Gigers bisweilen psychedelische Skizzen waren in Transformationssequenzen gehalten, die die Verwandlungsstadien des Mischwesens aufzeigen: Ein wurmartiger Geist wandelt sich in einen grotesken Zwerg, um schliesslich zu einem seelenfressenden, Gorgon-ähnlichen Biest («The Great Beast») zu mutieren.Poltergeist II - Skizzen 1983-1985 ist eine Faksimile-Ausgabe von Gigers Originalskizzenbuch, das 135 der eindrücklichen Zeichnungen umfasst und in dem Gigers Bedenken und Anregungen in Briefentwürfen an den Regisseur Brian Gibson nachzulesen sind.
Die neue englische Ausgabe von "La mia commedia dell'arte" (2022) erscheint im handlichen Taschenbuchformat. Sie wird ergänzt durch einen wiederentdeckten Brief von Ernst H. Gombrich und einen Text von Catherine Schelbert, die Jacqueline Burckhardts Beitrag zur Kunst mit zwei weiteren Stimmen würdigen.«Kunst ist mein Sauerstoff. Sie ist auch ein unerschöpfliches Füllhorn, quer durch die Zeiten und Disziplinen». Jacqueline Burckhardt geht die Kunst von vielen Seiten an: als Ex-Restauratorin, als Kunsthistorikerin, als Initiatorin des Performanceprogramms im Kunsthaus Zürich, als Mitherausgeberin der Kunstzeitschrift Parkett, als Kuratorin für ortsspezifische Kunst auf dem Novartis Campus oder als Dozentin an der Accademia di architettura in Mendrisio und als Direktorin der Sommerakademie im Zentrum Paul Klee in Bern. Zu ihren kulturpolitischen Engagements zählen neun Jahre Präsidentschaft der Eidgenössischen Kunstkommission.Durch "My commedia dell'arte" mäandert ein ausgedehntes Gespräch mit dem Kurator und Kunsthistoriker Juri Steiner, das ihr «Inter esse» im lateinischen Wortsinn, ihr Dazwischen- und Mittendrin-Sein im Feld der Kunst, aufdeckt. Ebenso leichthändig wie tiefsinnig und reizvoll illustriert, entwickelt sich die Konversation zu einer faszinierenden Arbeits- und Denkbiografie. Rhizomartig verästeln sich die Themen in die vielseitigen Wirkungsbereiche. Sie handeln von der doppelten Geschichtlichkeit des Kunstwerks, die es besonders beim Restaurieren zu berücksichtigen gilt, und erläutern, wie bravourös Giulio Romano, der «Regisseur einer verlebendigten Antike», über den sie promovierte, damit spielt. Sinniert wird über Herbert Lachmayers Begriff der «Geschmacksintelligenz» oder über die metaphysische Qualität eines Kunstwerks. Wir begegnen Kairos, dem Gott des günstigen Augenblicks, sowie Isabella d'Este, einer Dasselfliege und einem Oktopus.Seit 40 Jahren schreibt Jacqueline Burckhardt über zeitgenössische Kunst. Eine Auswahl ihrer Texte bezieht sich auf die Themen im Gespräch und bildet einen repräsentativen Einblick in ihre publizistische Tätigkeit.Von ihrer Verbundenheit mit den Künstler:innen und Autor:innen zeugen fünf Inserts in Text und Bild von Laurie Anderson, Kurt W. Forster, Katharina Fritsch, Herbert Lachmayer und Pipilotti Rist.Mit einem Gespräch zwischen Juri Steiner und Jacqueline Burckhardt.Cover: Künstlerbeitrag von Herbert Lachmayer und Kai Damian Matthiesen
2015 begann der Filmemacher Iwan Schumacher Fotografien von Paaren zu sammeln, die nicht in die Kamera schauen, entweder weil sie mit der Fotografin vertraut sind oder weil sie sich unbeobachtet wähnen. Peter Pfrunder, Direktor der Fotostiftung Schweiz, plante seit langem, eine Ausstellung mit Fotografien von Paaren zu machen. Sie entschieden sich zusammenzuspannen, und so entstand Paare / Couples.Das Buch zeigt Bilder von Paaren im weitesten Sinne, Art und Dauer der Beziehung spielen ebensowenig eine Rolle, wie das Geschlecht der Fotografierten. Es zeigt Bilder, in denen etwas zwischen zwei Menschen geschieht, ein großes Spektrum an Emotionen wird sicht- und spürbar. Jede Fotografie steht für sich und setzt in der Vorstellung des Betrachters einen Film in Bewegung, ein Vorher und ein Nachher, die reizvolle Spekulation bleiben - das Rätsel des Bildes bleibt bestehen.Paare / Couples erhebt nicht den Anspruch, eine fotohistorisch oder gesellschaftlich repräsentative Auswahl von Bildern zu versammeln. Vielmehr handelt es sich um eine lustvoll komponierte Partitur, die von zwei Liebhabern des fotografischen Bildes im freien Spiel zusammengefügt wurde: Aufnahmen, von denen jede einzelne aus einem anderen Film zu stammen scheint, die sich aber insgesamt wieder zu einem neuen Film montieren lassen.
Malanka is Ukrainian American visual artist, Yelena Yemchuk's sixth photobook. Like all bodies of work by Yemchuk, Malanka is personal, feminine, surrealist, and touched by a spell. The eponymous tradition is a pre-christian, heavily incantatory folklore ritual that takes place on January 14, the Old New Year in the Julian calendar. It is celebrated by ethnic Romanians in western Ukraine, and its origins are largely unknown. Yemchuk traveled to Crasna (Krasnoilsk in Ukrainian) in 2019 and 2020 to document the night-long festival. In essence, Malanka is about driving out winter and stimulating spring into existence, an ancient custom reminiscent of Persephone's return in Greek mythology. While photographing in Crasna, Yemchuk also made a companion short film, which premiered during her solo exhibition at the Ukrainian Museum in New York, in 2023. The film stars Ukrainian artist Anya Domashyna and the American actor Ebon Moss-Bachrach. Yemchuk, who was born in Kyiv and emigrated to the US when she was eleven years old, always invigorates her works with a particular notion of the in-between, meaning that she gently and joyfully plays on the ridge between fiction and reality; between the grand beauty of 1960s cinema and the social and built environments of post-soviet realms; between her Eastern European heritage and her daily life in New York. Through Yemchuk's gaze, places and spaces organically and dramatically blur, creating dreamscapes in which her subjects experience some form of metamorphosis. Malanka includes a poetic essay by Romanian cultural journalist Ioana Pelehatai.
"Noyan 2015-2022" wird das Erstlingswerk des Zürcher Fotografen Noah Noyan Wenzinger. Es erzählt fotografisch das Erwachsenwerden eines jungen Mannes, der stets mit seiner analogen Point-and-Shoot-Kamera im Gepäck alle möglichen Ereignisse auf seine ganz eigene Art und Weise festhält. Die Hauptprotagonist:innen sind enge Freund:innen Noyans, die ihn umgeben, inspirieren und mit ihm heranwachsen. Seine Bildsprache lässt sich dabei nur schwer einordnen und bildet ein Konglomerat aus diversen Einflüssen der Film-, Musik- und Gamingwelt sowie fotografischen Vorbildern wie Bruce Gilden, Walter Pfeiffer oder Ari Marcopoulos.Das Werk weist einen klaren Bezug zur Schweiz auf und dennoch ist spürbar, dass hier ein Einblick in die Generation Y-Z gewährt wird, der doch so gar nicht typisch ist für die Schweiz - sowohl im Bildinhalt wie auch in der Form. Genau in diesem Kontrast liegen auch das Reizvolle und die Bedeutung dieses Projekts."Noyan 2015-2022" ist ein sehr persönlicher Ausschnitt eines bereits umfangreichen Archivs, das der Künstler bei sich zu Hause in seiner Zürcher Wohnung aufbewahrt, wo sich auch das Herzstück seines Buches abspielt. Es sind Fotografien, die einerseits seinen Alltag zeigen, aber auch Aufnahmen des Nachtlebens, von Konzerten, Ferien oder Musikvideo-Stills. Das Buch wird ergänzt durch 16 Zeichnungen von Noah Stark (Clutterstew), der seinen unvergleichbar eigenen Charakter unermüdlich auf alles setzt, was ihm in die Finger kommt. Beide Künstler verbindet eine alte Freundschaft mit vielen geteilten Interessen, Ästhetiken und Geschichten.
2001 veröffentlichte die Edition Patrick Frey "Welcome Aboard", eine Zusammenstellung von Walter Pfeiffers Fotografien von 1980 bis 2000. Das Buch liess die Vorreiterrolle Pfeiffers in der zeitgenössischen Foto-grafie offenkundig werden und legte den Grundstein für Pfeiffers Aufstieg vom klassischen « artist's artist » zum weltbekannten Künstler, der nun für internationale Zeitschriften wie Vogue arbeitet und Kampagnen für Luxusmarken wie Bottega Veneta fotografiert. Diesen Weg zeichnet "Chez Walti" nach mit Fotografien aus den letzten dreiundzwanzig Jahren und lässt verfolgen, wie Pfeiffer seinen Blick weiterentwickelte und erneuerte, Einflüsse aus dem Zeitgeist aufnahm und zugleich unverwechselbar sich selbst blieb, ob er nun privat oder im Auftrag fotografierte. Leicht, witzig und schön-heits verliebt fotografiert Pfeiffer umwerfende Jungs und freche Mädchen, üppige Stilleben und bukolische Landschaften, schicke Kleider und nackte Haut. "Chez Walti" lädt ein auf eine Reise durch Pfeiffers schwere-loses Paralleluniversum, dessen Zauber sich in den letzten zwei Jahrzehnten nochmals verdichtete.
Die Jugendproteste der sechziger Jahre wurden von einem der größten Pressebooms der Geschichte getragen. Das Underground Press Syndicate (UPS), das 1966 noch ein lockerer Zusammenschluss von fünf Zeitungen war, zählte innerhalb von wenigen Jahren über 500 Publikationen und Millionen von Leser:innen weltweit. «Sie vermehrten sich wie Unkraut (=weed)» sagte Tom Forcade, UPS Direktor, Weed Dealer und späterer Gründer von High Times. Ein passender Vergleich: Das Underground Press Syndicate engagierte sich für die Legalisierung von Marihuana, und das Hanfblatt wurde zum Symbol dieser Legalisierungskampagne. Weed war so omnipräsent, dass es für die Behör-den ein Leichtes war gegen das UPS vorzugehen. Weed war zum Emblem von Aktivistengruppen gewor-den und verlieh dem UPS Impressum sein besonderes Flair. Weed schlich sich in die Textlücken auf den Seiten ein und füllte sie mit Spot Illustrationen, die Weed zum Thema hatten. Heads Together stellt eine Auswahl von diesen Spot Illustrationen zusammen, in der weniger bekannte Künstler:innen und auch No-Names ins Blickfeld rücken, von denen viele ihre Werke nie signiert haben. Aktivistisch-psychedelisches Zigarettenpapier und Handbücher zu Anbau und Verarbeitung von Hanf werden auch gezeigt. Letztere wurden von der CIA als Banngut behandelt. Da die USA wie viele andere Länder dabei sind Marihuana zu legalisieren, erscheint dieses aufrühreri-sche, staatsfeindliche Imageinzwischen eher komisch. Die Pot-Profiteure auf dem von Konzernen beherrschten Markt interessieren sich nicht für die Legalisie rungs-aktivist:innen von damals und ebensowenig wie für die Schwarzen und Latinos, die lange vor und nach den Hippies systematisch verfolgt wurden.
Kakteenskulpturen aus Marmor, schneebedeckt, Bleistiftskizzen von Korallen und Renderings von Blätterformen, die zu schweben scheinen, dazwischen neonfarbene Linienstrukturen und alarmierende Titel von Zeitungsartikeln zu klimatischen Veränderungen. Dieses Künstlerbuch gibt Einblick in das differenzierte Referenzsystem an Inhalten, Formen und Materialien, Pflanzen und Tieren, aus denen Claudia Comte ihre biomorphen Skulpturen entwickelt. Während Kakteen gut an Trockenheit angepasst sind, bilden Korallen, die empfindlich auf die Erwärmung und Versauerung der Ozeane reagieren, artenreiche Ökosysteme am Anfang der maritimen Nahrungskette. Blätter hingegen stehen für Photosynthese, jenen energieumwandelnden Prozess, in dem Sauerstoff erzeugt wird. In der überna-türlichen Annäherung von Kaktus, Koralle und Blatt verflechten sich Aspekte der Wüste, des Ozeans und des Waldes durch verschiedene Prozesse der materiel-len Übersetzung. Ausgangspunkt ist ein Index der Holzskulpturen, die Comte mit Vornamen betitelt und so quasi familiär verbindet. Sie werden auf Basis von Skizzen in Holz ausgeführt oder, mithilfe digitaler Medien, in Marmor übersetzt. Marmor als versteinerte Repräsentation des Meeres trifft hier auf Holz, das als Speicherort für Vorgänge auf der Erde dient und diese konstant mit Sauerstoff versorgt. Der Schwerpunkt der Publikation liegt auf unserem Verhältnis zur Natur und den menschengemachten Veränderungen unserer Umwelt. Diese Themen spielen eine zentrale Rolle in der Praxis der Künstlerin. Eindringliche Zitate aus Zeitungsartikeln schaffen die Verbindung zur klimati-schen Notlage, denn nicht nur Korallen sind akut gefährdet.
Der Bildband des 1949 in Genf geborenen Fotografen Nicolas Faure The Order of Things zeigt rund hundert analoge Aufnahmen von Gartenarchitektur rund um Einfamilienhäuser und Siedlungen im Wallis und der Westschweiz. The Order of Things («Die Ordnung der Dinge») zeigt Bepflanzung und Hecken, Abgrenzungen und Mauern, die von Sehnsucht nach Privatheit und Idylle sprechen. In der Agglomeration sieht man sie von Weitem, etwas versteckt, meist feingliedrig hinter-gittert und umzäunt: Pflanzenarchitekturen, die sich nur in wenigen Fällen den Veränderungen der gebau-ten Umwelt entziehen, über die Privatheit des Zauns spriessen - mal bedrohlich, mal als leises Versprechen, dass hinter den Reihenhäusern eben doch noch die unverstellte Natur, die weite Welt liegen könnte. Oder vielleicht nur mehr Schweiz. Faure gibt diese «Ordnung der Dinge» wieder, indem er Betrachtenden präzis komponierte Blickhierarchien eröffnet, die den Gestal-tungswillen im Machtgefüge des persönlichen Garten-territoriums spiegeln. Alle Dinge haben ihren Platz. Vor dem Hintergrund dieser meist starren Zeugen - sorgfältig gezähmt, präzise platziert, sauber in die Raumplanung eingeflochten - entsteht so ein Porträt von Land und Mentalität, das Ausgangspunkt für eine Reflexion über technische und kulturelle Verände-rungsprozesse der Moderne ist, die seit Ende der 1950er-Jahre die Schweiz erfasst und sie in ein Land der Agglomerationen verwandelt hat.
FUTURE ist eine Serie von 5-6 Publikationen des Künstlerduos Taiyo Onorato & Nico Krebs, die im Laufe der nächsten Jahre bei der Edition Patrick Frey erschei-nen werden. Die verschiedenen Kapitel des Projekts werden laufend publiziert, ohne dass ein genauer Inhalts- oder Zeitplan feststeht. Es ist Teil des Konzeptes, dass relativ schnell publiziert wird und so auch auf direkte Geschehnisse oder Befindlichkeiten reagiert werden kann. Nach der Beschäftigung mit Zukunft und Erinnerung dreht sich die zweite Publikation der FUTURE-Serie um einen Ort, ein Reich, das uns direkt umgibt und für die meisten Menschen doch so fern und fremdartig ist, wie es sonst nur die Weiten des Alls sein könnten: die Welt unter der Wasseroberfläche. Erst durch den Einsatz von aufwendiger Technologie sind wir in der Lage, tiefer in diese Dimension vorzusto-ssen und sie zu erkunden. Mit der Exploration kommt direkt auch die Exploitation, und es besteht die Möglich-keit, dass diese Welt zerstört wird, bevor wir sie auch nur im Ansatz verstehen oder überhaupt zu sehen bekommen. Die Tiefsee ist ein gigantisches Projektionsgebiet, das schon seit jeher unsere Imagination anregt, weil in ihr alles möglich scheint. Es gelten andere Gesetze, andere Regeln, und auch deutet immer mehr darauf hin, dass wir dort unseren Ursprung - und in Form von Sedimenten wohl auch unser Ende - finden werden. Mit verschiedensten fotografischen Mitteln und Erfindungen erkunden Taiyo Onorato & Nico Krebs diese Welt und entwerfen Szenarien, in denen sich Forschung und Fiktion untrennbar miteinander vermi-schen.
Karen Kilimniks Künstlerbuch Early Drawings 1976-1998 ist eine Art Prequel zu Kilimniks Drawings, 1997 ebenfalls in der Edition Patrick Frey erschienen. Early Drawings 1976-1998 versammelt eine von der Künst-lerin zusammengestellte, reichhaltige und facettenreiche Gruppe von rund 130 bislang unveröffentlichten frühen Papierarbeiten. Neben detailliert ausgearbeiteten Pastellen finden sich hier unter anderem auch Tusche-zeichnungen aus den Jahren 1976 bis 1998, welche in ihrer Gesamtheit die komplexe und virtuose Themen-welt von Kilimnik beleuchten. Seit über vierzig Jahren bewegt sich Kilimnik in einem unerschöpflichen, von den Traditionen der romantischen Malerei, der Porträt- und der Landschafts-malerei informierten Kosmos. Sie räumt in ihrer Kunst unterschiedlichen Themen das gleiche Gewicht ein und zieht Inspiration aus zahlreichen Quellen - von Populärkultur, Märchen und Gemälden alter Meister über Fernsehsendungen, Filme, Literatur, Zeitschriften bis hin zu Werbung und Schaufensterauslagen. Dadurch lösen sich die Unterscheidungen zwischen «hoher» und «niedriger» Kultur auf. Diese kreative Verschmel-zung wurde bereits in Kilimniks frühen Arbeiten deutlich: nach einem Kunst- und Architekturstudium in Philadelphia zeigte sie Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre eine Reihe von genre-übergreifen-den Ausstellungen, in denen sie Gemälde, Fotografien, Zeichnungen, Skulpturen und Filme präsentierte. In ihren Werken setzt sie Mythologie und Weiblichkeit sowie historische und fiktionale Themen um. Early Drawings 1976-1998 erscheint anlässlich der gleichnamigen Doppelausstellung bei Galerie Eva Presenhuber in New York und bei Sprüth Magers in London, die im Frühsommer 2022 gezeigt wurde.
«Mad Dog» Vachon, «Tarzan Tyler» oder Masao «Rusher» Kimura - so wohlklingend wie furchteinflössend lauteten die Namen der Wrestler, die regelmässig gegeneinander an AWA-Wettkämpfen (American Wrestling Association) antraten, um sich in spektakulären Kämpfen publikumswirksam zu prügeln. Es ist Sommer 1969, der 9-jährige Darius Koehli verlässt Zürich und begleitet seinen Vater für einen neunmonatigen Aufenthalt in die USA. Plötzlich findet er sich in einer ihm völlig fremden Umgebung wieder. Und warum zum Geier muss es ausgerechnet Omaha, Nebraska sein? Glücklicherweise freundet er sich schnell mit Carl an, dem Sohn der Nachbarn. Diese nehmen ihn zum angesagtesten Ort der Stadt mit, ins Civic Auditorium, um Wrestling-Kämpfe zu sehen. Mit seiner nigelnagelneuen Kodak Instamatic beginnt Darius zu fotografieren, hält die Helden des Rings vor, während und nach den Kämpfen fest. Mit einem bemerkenswerten Blick für Situationskomik und aus der Perspektive des 9-Jährigen entstehen hunderte von Bildern, deren fürs Buch getroffene Auswahl einen Einblick in eine längst vergangene Epoche gewährt, als das professionelle Wrestling gerade am Durchstarten war und im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Im Sommer 2019 stösst Koehli anlässlich eines Besuches in Zürich auf das Album, das 50 Jahre zuvor entstanden war. Erinnerungen aus Omaha steigen wieder hoch, magische Namen tauchen aus der Vergangenheit auf. Sie erzählen von vollen Arenen und reisserischen Ansagern, vom begeisterten Publikum, das lautstark die Wrestler anfeuert, von Schweiss und Blut, von mysteriösen maskierten Komplizen, von gestählten Körpern und halten Momente von choreografierten, ja anmutigen Begegnungen fest.
So verschieden die Leben, so verschieden die Biografien. Und doch ist Magnificent Obsessions Saved My Life eine (Auto-)Biografie der besonderen Art: Nicht nur fokussiert das Buch fast schlaglichtartig Schlüsselszenen im Leben eines Menschen der Nachkriegsgeneration, aufgewachsen, wie so viele, in einer dysfunktionalen Familie, vor dem Hintergrund geteilter Erfahrungen der 68er-Generation mit ihrer sexuellen Befreiung sowie zwei hautnah erlebter Pandemien - Aids und Corona. Im Dialog auch mit Werken des grossen Hollywood-Kinos, der Film-Avantgarde und zeitgenössischer Kunst bringen sie sich gegenseitig erst zum Sprechen. Denn ein Film, ein Kunstwerk ist nichts, wenn es einem nichts über das eigene Leben sagt. Kino und Kunst - und eben dieses Buch: Stets erzählt es über das, was war und was möglich gewesen wäre, wer man ist und wer man hätte sein wollen. Magnificent Obsessions tut dies in Text und Bild, angereichert mit Filmstills aus Brunners eindrücklicher Sammlung sowie Reproduktionen geliebter Kunstwerke. Erzählt wird, wie sich die Welt, das Reisen, die Hotels und Ausstellungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts verändert haben, welche Kleidung und Haarschnitte man damals trug und heute trägt. Aber wie im Film stehen die Menschen im Zentrum, Protagonist:innen, über die Brunner mal beissend direkt, aber auch zugewandt und bisweilen fast zärtlich schreibt. Im Moment, als er seine Lebensliebe, den Galeristen Thomas Ammann, an Aids verliert, spricht er vom geteilten Glück, um nicht von der Trauer aufgefressen zu werden. Er erinnert sich an seine glamouröse Geliebte Elisabeth Bossard (Thema Selection), mit der er lange Jahre zusammen gewesen ist, erzählt anekdotisch von einem Venedig-Flirt mit Edmund White, dem amerikanischen Schriftsteller, der ihm ein Freund geworden ist, oder berichtet von der Hass-Liebe zu Daniel Schmid, wobei er einen intimen Einblick in das Kino und Umfeld auch der Filmemacher Fassbinder und Schröter gewährt.¿Es gibt immer zwei Bewegungen in diesem Leben: eine Flucht in die Künste wie auch den Willen und die Grosszügigkeit, diese Obsessionen zu teilen, sie unermüdlich zu vermitteln. Brunner brachte schon früh - an der Zensur vorbei -Filme von John Waters oder Andy Warhol, mit denen er auch freundschaftlich verbunden war, in die Schweiz. Vor der Verbreitung des Internet hätte man diese sonst nicht oder erst viel später zu sehen bekommen. Brunner weiss um Licht- und Schattenseiten der Traumfabrik, lässt sich aber immer wieder gerne verführen: Imitation of Life, so der Titel eines des grossen Melodramen des Regisseurs Douglas Sirk, den Brunner verehrt und dessen Nachlass er heute betreut. Kein Zufall, sind die «Bigger than Life»-Filme des Melodramas doch das beliebteste Filmgenre von Brunner, wozu auch Werke von Vincente Minnelli, Nicolas Ray, Pedro Almodóvar oder Rainer Werner Fassbinder gehören, Leuchttürme auf stürmischer See und sicherer Hafen in einem bewegten Leben.
Pathé'O ist eine wahre Mode-Ikone. Der gebürtige Burkinabé ist weit über seine Wahlheimat Côte d'Ivoire hinweg bekannt. Sein visionäres Vermächtnis beeinflusst seit über 30 Jahren die ästhetischen Standards wie auch die Erfahrung von Mode auf dem afrikanischen Kontinent und führte vor Kurzem auch zu einer Zusammenarbeit mit dem Modehaus Dior. Designer*innen aus allen Generationen sind inspiriert von seiner ausgeprägten Designästhetik, seinem progressiven Ansatz in Nachhaltigkeitsfragen sowie von seiner Gabe, kulturelles Engagement mit unternehmerischer Kreativität zu verbinden. Lange Zeit war es für Politiker*innen und Prominente aus dem Showbiz in den westafrikanischen, ehemals französischen Kolonienüblich, sich westlich zu kleiden. Pathé'O verfolgte mit seiner Arbeit die klare Absicht, bei den Afrikaner*innen die Wertschätzung für einen einheimischen Modestil und eine lokale Industrie zu wecken. In den 80er-Jahren freundete sich Pathé'O mit Thomas Sankara an, dem Präsidenten von Obervolta (dem späteren Burkina Faso) und einem Verfechter des Panafrikanismus. Pathé'O wurde stark von Sankaras Entschlossenheit, den Lokalstolz und das kulturelle Erbe zu fördern beeinflusst und verwendete von diesem Zeitpunkt an ausschliesslich lokal produzierte Stoffe. Seine Kreationen wurden zu einer zeitgenössischen Hommage an kulturelles Erbe, Geschichte und Identität.Eine weitere prominente Begegnung erlebte Pathé'O mit Nelson Mandela, der sich als erster afrikanischer Präsident lieber in seine lebendige Designs und leichte Baumwollstoffe kleidete als in einen westlichen Business-Anzug. Ihm folgten bald weitere Staatsoberhäupter, sowie Stars aus Unterhaltungsindustrie und Sport und natürlich Madame et Monsieur Tout-le-Monde. Pathé'Os Stoffe sind sein Markenzeichen. Wie kein anderer bringt er globale Modetrends mit der gesamten Palette afrikanischer Textilien und seinem Fachwissen zusammen und hält so das lokale Erbe lebendig und entwickelt es stetig weiter. Zum ersten Mal erzählt dieses Buch die außergewöhnliche Reise von Pathé'O und seiner Marke. Die Handwerkskunst und die Kostbarkeiten seiner Kreationen ermöglichen ein besseres Verständnis des Spektrums der Mode in Westafrika, der Verschmelzung einer globalen Gegenwart mit einem reichen kulturellen Erbe. Das Buch erforscht Themen, die von der Mode- und Textilindustrie über Arbeitsmigration, kulturelles Erbe bis hin zu Politik und Showbiz reichen, Politik und Showbiz reichen, und spannt einen Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart.
Die KünstlerInnen Vera Lehndorff und Holger Trülzsch entwickelten in einer sich von den 1970er- bis in die späten 1980er-Jahre erstreckenden, intensiven Schaffensphase ein eindrücklich-innovatives OEuvre inszenatorischer Fotografie von Körpermalereien - einer Synthese aus Malerei, Fotografie und Performance. In Body Paintings 1970-1988 finden Lehndorff/Trülzsch einen neuen Blick auf die gemeinsamen Fotoserien, indem sie die Bilder der Werkzyklen, faksimiliertes Archivmaterial - darunter Essays von Susan Sontag und Gary Indiana - sowie kontextuelle Erläuterungen und Referenzbilder verweben. Die Publikation reflektiert so dialogisch Geschlechteridentitäten und den Umgang mit dem weiblichen Körper vor dem Hintergrund medial-popkultureller Entwicklungen sowie der Kunstproduktion der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
120 bpm ist die durchschnittliche Anzahl «beats per minute» eines Clubtracks. Wie es dem Medium entspricht, versammelt auch das Buch 120 bpm dichte, nach vorn treibende Bildabfolgen jener Jahre des Aufbruchs, als Techno in der Schweiz zu einer der letzten grossen Jugendbewegungen wurde, welche das Nachtleben, die Clubs sowie die stetige Innovation elektronischer Tanzmusik bis heute prägen.Der Schweizer Fotograf Philipp Mueller dokumentierte diese frühe Phase des Techno Anfang der 1990er in unmittelbar-rohen Aufnahmen von den ersten Zürcher Street Parades, illegalen Raves, Partys - backstage in Clubs und in der Intimität des Privaten - für verschiedene Publikationen. In 120 bpm verschränken sich Muellers Aufnahmen mit faksimilierten Rave-Magazin- und Fanzine-Seiten und Erzählungen damaliger Protagonist*innen.
"Fields of Sight" ging aus der einzigartigen Zusammenarbeit der Fotografin Gauri Gill mit dem bekannten Warli-Künstler Rajesh Vangad hervor. Begonnen wurde sie Anfang 2013 in Ganjad, Dahanu, einem Adivasi-Dorf in der Küstenregion des indischen Bundesstaats Maharashtra. Aus Gills ersten Erfahrungen mit der Landschaftsfotografie entwickelte sich in einer Art Symbiose eine neue visuelle Sprache. Bei der Durchsicht ihrer Kontaktbögen bemerkte sie, dass wichtige Aspekte fehlten, obwohl die Kamera die "chamäleonartige" Haut der Landschaft eingefangen hatte - Aspekte von etwas, was das Auge nicht wahrgenommen hatte, aber in den grossartigen mythologischen und experimentellen Geschichten, die ihr Vangad vorlas, sehr lebendig beschrieben war. Die mit Vangads Zeichnungen überschriebenen Fotografien Gills rekonfigurieren den fotografischen Ort sowohl formal wie konzeptuell, um neue Dokumente mit nicht nur einer Wahrheit und einem transaktiven Wissenssystem zu erhalten. Die Landschaften durch Vangads Augen zu sehen erweckte in Gill das Bedürfnis, unsere heutige Wahrnehmung von dem, was unsere Augen einfangen und was ihnen m glicherweise auch entgeht, zu hinterfragen. Als würde man ein altes Haus fotografieren, aus dem im selben Moment ein Bewohner herauskommt und zu reden anfängt.
Wir leben in einer Welt grösster Widersprüche - dies zeigt Emanuel Halpern in seinem neuen Buch "Paradoxer Schattenboxer" ganz deutlich. Wir folgen Hunn und Altermann durch einen unverkennbar schweizerisch inspirierten, dystopischutopischen retro-sci-fi Öko-Krimi bester Film-Noir- Machart mit Boss Al Pacone, seinen Gangstern und korrupten Beamten. Natürlich dürfen auch ein CEO-Fiesling und die Kreuzfahrtflotte Preperline nicht fehlen; ,eine Dolce-Vita-Weltuntergangssekte, auf dem neusten Stand verfügbarer Technik gegen alle denkbaren Katastrophenszenarien gerüstet". Akut bedroht ein gelegter Waldbrand den Schauplatz und versperrt das Grenzgebiet zwischen Pappstadt und Puerto Paradisio. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelingt es doch, den Brand schliesslich einzudämmen und ein drei Tage andauernder Landregen bringt der geschundenen Flora die ersehnte Linderung. Happy End! Oder? Nahezu exzessiv treffen verschiedenste Genres, Charakteren und Themen in der kurzen Geschichte collagenartig aufeinander. In saloppem Erzählton werden auf engstem Raum Religion, Politik, Kunstgeschichte, Klima und Umwelt adressiert und nicht nur beiläufig die grossen Fragen gestellt: Gibt es ein richtiges Leben im Falschen? Worin unterscheiden sich Kultur von Propaganda, Kunst von Sport? Den dringlichen, ja todernsten Themen entgegen steht auch in der anschliessenden Bildergeschichte Emanuel Halperns fantasievolle, anheimelnd vertraut wirkende Bildsprache; die Farben Kinderbuch-bunt und die Konturen angenehm weichgezeichnet. Man könnte sich fast einreden, dass es um die Welt doch nicht so schlimm stehe. Aber nur fast. Eine Realität, die sich dermassen der Katastrophe zuneigt, kann man eben doch nur komisch darstellen.
"Acts of Appearance" wurde gemeinsam mit Pappmach - Künstler:innen der Kokna- und Warli-Stammesgemeinschaften in einem Adivasi-Dorf im Palghar District realisiert. Dieser landeinwärts von Dahan gelegene Distrikt ist einer der ärmsten im indischen Bundestaat Maharashtra. Gills Protagonist:innen/Mitarbeitende sind berühmt für ihre Pappmach - Arbeiten, vor allem auch für die rituellen Masken, die sie für die alljährlich stattfindende Bohada-Prozession anfertigen. Auf Gauri Gills Bildern gehen die Künstler:innen wie auch die einheimischen Freiwilligen, die speziell für das 2014 begonnene Projekt gefertigte Masken tragen, ihren täglichen Gesch ften nach. Die neuen Kreationen zeigen mit den physischen Eigenschaften normaler Menschen ausgestattete Personen, Tiere oder für wertvoll erachtete Gegenstände. In Gills Fotografien vermischen sich in der Realität wie auch in Traumgefilden angesiedelte Szenarien und Narrative. Es sind symbolische oder spielerische Darstellungen und gleichzeitig Bilder aus dem Alltag der einzelnen Mitarbeitenden im Kontext ihrer Umgebung und Kultur."Acts of Appearance" wurde als Gemeinschaftsprojekt konzipiert, an dem folgende Künstler:innen teilnahmen: Bhagvan Dharma Kadu, Subhas Dharma Kadu, Yuvraj Bhagvan Kadu, Rahul Arvind Kakad, Madhuri Subhas Kadu, Vaibhav Subhas Kadu, Rahul Bhagvan Kadu, Makhaval Bhagvan Kadu, Mukta Subhas Kadu, Rangeeta Arvind Kakad, Sampat Raho Vazare, Gangubai Eshwar Vazare, Rajashri Eshwar Vazare, Darshana Devram Kakad, Ganesh Ganpat Lokhande, Sangeeta GaneshLokhande, Sangeeta Navnath Kadu, Kusum Bhagvan Kadu, Harishchandra Rama Kadu, Suvrna Harishchandra Vad, Anjana Sachin Kurbude, Sachin Sankar Kurbude, Sanjay Sakharam Vatas, Ganpat Ganga Lokhande, Rupesh Arvind Kakad, Nalini Pradip Valvi, Jyoti Sanjay Vatas, Shravan Budhya Tumbda, Saraswati Subhas Kadu, Sapna Bhagvan Kadu, Bhawna Bhagvan Kadu, Pooja Arvind Kakad, Tushar Prakash Vatas, Tushar Dinkar Vatas, Vijaya Navnath Kadu, Suraj Tukaram Vad, Nishant Tulshiram Thalkar und Nilam Sunil Marad.
In Polaroids des US-amerikanischen Künstlers, Musikers, Schriftstellers und Buchhändlers Cary Loren verweben sich Schnappschüsse seiner Detroiter Entourage der 1970er-Jahre mit Aufnahmen von Assemblagen, die Loren aus Drucken, TV-Fotografien, Punkzine-Covern, Stickern, Filmplakaten und anderen Ephemera zu inszenatorischen Dispositiven montiert hat. Das dabei eingesetzte Medium Polaroid erlaubt es, scheinbar wesensfremde Bildsprachen und -träger während des Entwickelns durch Einkratzen und Pressen der Emulsion zu manipulieren und in Bildern malerischer Qualität zusammenzuführen. In Lorens Arbeiten verschmilzt wortwörtlich das Persönliche mit dem Mythologischen: Christliche Ikonografie wird mit den Ikonen des Populären, des goldenen Zeitalters Hollywoods und der Ästhetik von Punkzines (The National Enquirer, Famous Monsters of Filmland und Screw) zu einem post-Warhol'schen Popkultismus gemendelt - die Addams Family verschmilzt mit Engeln, das Groteske mit dem Schönen, Dantes Inferno mit Cupcakes. Der ultimative «Fanboy» Loren schafft so bildliche Altäre ekstatisch-popkultureller Memento mori, in denen er seiner Obsession für Trash, Glamour, das Vergängliche und den Tod huldigt.¿Das Künstlerbuch wird von einem Interview begleitet, in dem Loren dem US-amerikanischen Künstler Cameron Jamie vor den Gräbern seiner persönlichen Idole (darunter Vampira, Ed Wood jr., Jane Mansfield) anhand von deren Biografien seine eigene Lebensgeschichte erzählt.
Der Titel dieses Buches verrät uns, wer hier vor der Kamera steht: Kathleen McCain Engman posiert seit 2009 für ihren Sohn Charlie. In "MOM" treten wir einer Frau gegenüber, die wir nie kennenlernen: ihr intensiver Blick und die mit Sommersprossen besiedelte Haut werden uns zwar bald vertraut, doch die Rollen, die sie in den Bildern einnimmt, werden zunehmend unklarer. Engman begann seine Mutter abzubilden, weil sie verfügbar war und stets bereit ist, den Ansprüchen ihrer Kinder gerecht zu werden. Was als eine natürliche Sache seinen Lauf nahm, verwandelte sich in eine intensive Zusammenarbeit. Das Resultat ist weder ein Familienalbum noch eine Hommage an eine Mutter, sondern eine viel tiefere und weit komplexere Interaktion. Eine, welche die Limitationen von Vertrautheit sowie die Regeln und Begrenzungen um Rolle und Repräsentation, Verletzlichkeit und Kontrolle hinterfragt. Eine auch, die sich mit dem Sehen und Gesehen-werden beschäftigt.
Der Zeichner Josef Herzog (1939-1998) setzt den Anfang seines gültigen Werks ins Jahr 1964. Es entstehen Aquarelle mit klar umrissenen, flächigen surrealen Konfigurationen und Tuschezeichnungen mit blattfüllenden labyrinthischen Zellstrukturen. Herzog bleibt dem Medium der Zeichnung und des Aquarells in seinem gesamten Schaffen treu. Das Sujet der Zeichnung und die Atmosphäre verändern sich dabei stetig, wobei die Linie als prägendes Element in seinem Werk eine sich wandelnde Konstante bildet. Seit 1975 verwendet der Künstler die Linie nicht mehr als formdefinierende Silhouette, sondern als eigenständiges, von jeglicher beschreibenden Funktion befreites Ausdrucksmittel, sei es in Bleistift-, Ölkreide-, Tusche- und Kugelschreiberzeichnungen oder in Aquarellen. Abgesehen von wenigen Werkgruppen mit vereinzelten flächigen Elementen beschränkt sich Josef Herzog konsequent auf die Möglichkeiten rein linearer Gestaltung. Die Linien differieren in ihrem Charakter beträchtlich von einer Werkgruppe zur nächsten, je nach Format und Wahl des Zeichenmittels, das gerade durch die vollständige Verdrängung benennbarer Motive an Bedeutung gewinnt.Zu Josef Herzogs Werk sind ab 1971 Beiträge erschienen. Ein aktueller Blick auf das überbordende zeichnerische Schaffen hingegen fehlt. Die Monografie zur Ausstellung im Kunstmuseum Luzern ab März 2022 will diese Lücke füllen und zeigt Josef Herzogs Schaffen ab den 1970er-Jahren.
Trix und Robert Haussmann sind in der Schweiz wie im Ausland für ihren enormen gemeinsamen Beitrag zur Gestaltung und Inneneinrichtung bekannt. Sie leben und arbeiten seit den Sechzigerjahren miteinander, gestalten und bewohnen auch symbiotisch wunderschöne Interieurs voller Kunst und schöner Dinge. Man kann sich die beiden - wie auch ihre Wohnungen - als ein doppeltes Selbstbildnis in laufender Weiterentwicklung vorstellen. Die Haussmanns pflegen seit langem enge Verbindungen zur Avantgarde ihrer Zeit. Sie haben verschiedene Trends und Kunstströmungen mitgemacht und beteiligten sich aktiv an den Szenen von Zürich oder Bern. Dieses Buch dokumentiert ihre unzähligen Kontakte und Gespräche mit Künstler:innen, Galerist:innen und kreativen Seelenverwandten. Es bezeugt so auch ihr lebenslanges Interesse an bildender Kunst, ihr aktives, begeistertes Mitmischen im Schweizer Kunstgeschehen und ihr eher spielerisches Bekenntnis zu diesem. Ein Gespräch mit dem Schweizer Autor und Kurator Dieter Schwarz offenbart etliche Ereignisse und Anekdoten, die vom faszinierenden Leben des Paares mit der Kunst erzählen, die sie im Lauf ihrer beider Leben und Karrieren eher intuitiv als mit irgendeiner Strategie im Hinterkopf gesammelt haben. Die zahlreichen fotografischen Dokumente ihrer ausgefallenen und einigermaßen extravaganten Einrichtungen umspannen fast fünf Jahrzehnte und mehrere Wohnungen. Sie sind exemplarisch für die charakteristische Art und Weise, in der Trix und Robert Haussmann Kunstwerken neben - unter anderem eigenen - Möbeln und diversen Artefakten in ihrem Alltag ein Zuhause geben. Die Fotos veranschaulichen auch ihren eigenwilligen und spielerischen Umgang mit Spiegeln.
Klodin Erbs Werkserie Orlando basiert auf der gleichnamigen Geschichte von Virginia Woolf, in der eine Person über 500 Jahre lebt und dabei das Geschlecht auf geheimnisvolle Art und Weise wechselt. Sie umfasst bis jetzt annähernd 200 gemalte Portraits in unterschiedlichsten Stilarten. Die meist kleinformatigen Bilder zeigen männliche und weibliche, sowie Portraits undefinierten Geschlechts. Dieser Bilder-Zyklus ist einerseits eine Studie der Portraitmalerei, welche auch «die Kunstgeschichte und die darin innewohnende und damit verbundene Zeit» thematisiert, wie die Künstlerin erklärte, und andererseits eine Untersuchung ihrer eigenen Identität als Malerin. «Die schiere Menge an Bildern ermöglicht ein Eintauchen in Gesichter, ein Sich-darin-Verlieren und transformiert die Betrachter zu universellen Wesen in zeitlosem Dasein.» - Modelle der Abgrenzung und Identifizierung werden dadurch aufgelöst und in einem grösseren Kontext neu verhandelt (Ich sind viele, ich bin du, etc.).Klodin Erbs künstlerische Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlich relevanten Ansatz der Identität wurde diskursiv erweitert mit einem Dinergespräch im Pavillon des Strandbads Tiefenbrunnen. Ziel war es, durch Kostümierung und Schminke das alltägliche Ich abzulegen und durch das spielerisch erprobte Meta-Ich im experimentellen Rahmen eines Performance Abendessens über die inhaltlichen Themen des Orlando-Zyklus zu diskutieren - Identität, Geschlecht und Rollenmodelle,Konstrukt Zeit, Altern und der Wunsch nach ewigem Leben/Jugend, Humanoids und künstliche Intelligenz, der letzte Mensch. Das Transkript dieses Gesprächs zieht sich als roter Faden durch das Buch.
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