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"Auf Yorùbá ist dein Vater dein Name." Logan Februarys Gedichte, die hier zum ersten Mal in deutscher Übersetzung vorliegen, sind "Selbstporträts mit fremder Zunge", die sich zwischen Yorùbá und Englisch bewegen. In ihrer poetischen Praxis eines mentalen Voodoo treffen prä-koloniale, genderfluide westafrikanische Traditionen auf die queeren Diskurse unserer Gegenwart und erzeugen ganz neue Formen des Analogiezaubers."Rimbauds Idee einer 'systematischen Entregelung aller Sinne' findet in den Gedichten von Logan February statt. In diesen Gedichten werden derart viele Texturen, Bewegungen, Klänge wachgerufen, dass sich das Gefühl einer Überwältigung einstellen mag. Ihr Trick besteht darin, einer neuen Logik Raum zu geben, die uns erkennen lässt, dass wir der Stimme einer tiefgreifenden Erinnerung zuhören, die von der Schönheit, von den Traumata des Körpers und des Landes spricht. Oder, um es mit den Worten von Februarys großartigem Gedicht 'At Prophetstown' zu sagen: 'Da sind wir, marschieren / durch die Geister, die das Land zuerst bestellten, / aus meinem zerbrochenen Land kam ich / hierher. Geschichten, zugleich außer mir / und in mir.' Logan February ist das seltene Ausnahmetalent einer ganzen Generation. Überzeugen Sie sich selbst." (Raymond Antrobus)"Ein kühnes und eigensinniges Loblied auf schwarze, queere Körper. Bissig und lebendig. Vielschichtige und konzeptuelle Poesie, mit konfessionellem Unterton und fatalistischen Absichten." (Dami Ajayi)
Veronica Forrest-Thomson unternimmt in ihren Gedichte nichts Geringeres als eine Revision der englischen Verstradition von einem John zum anderen: von Donne und den Metaphysical Poets zu Ashbery und der New York School. Über rekontextualisierte Zitate, Parodien und Pastiches, Collage-Texte, Konkrete Poesie und Mistranslations sowie weitere textverfremdende Techniken treten Forrest-Thomsons Gedichte in Dialog mit kanonisierten (meist männlichen) Autoren, deren Gedichte im Spiegel ihrer jeweiligen Konventionen hinterfragt oder mit Spott und kluger Ironie bedacht werden. Diese Texte stellen den Höhepunkt und die Überwindung einer Poesie-Krise dar, sich in einer von graumelierten Meistern geprägten Kunst zu behaupten: Wie in einem Spiegelerlebnis nennt Forrest-Thomson sich in ihren Gedichten selbst, kommentiert deren Entstehen und entlarvt im selben Atemzug Identität als Trojanisches Pferd. Sie wird zu Klytaimnestra, Helena, Agamemnon, Elektra, Dante, Beatrice, T. S. Eliot, Cordelia und vielen anderen mehr. Die Projektionsfläche "Ich" ist keiner und alle zur selben Zeit: "Ich", das ist Ich und Nicht-Ich, ein Pronomen ebenso wenig wie das ihm zugewiesene Prädikat. Das vorrangige Ziel ihrer Gedichte, so ließe sich mit Forrest-Thomson selbst sagen, besteht darin, unseren Sprachen auf ihre Schliche zu kommen.
Im März 1969 steigen die Dichter und Übersetzer Octavio Paz, Jacques Roubaud, Edoardo Sanguineti und Charles Tomlinson für ein kollektives Autorschaftsexperiment in den Keller eines Pariser Hotels hinab. Ihren Ausgangspunkt von der traditionellen japanischen Kettengedichtform ,renga' nehmend, erschaffen sie dort in fünf Tagen das mehrstimmige und mehrsprachige Werk Renga - 27 Sonette, in denen das Spanische, Französische, Italienische und Englische sich abwechseln, ineinanderfließen, in- und untereinander übersetzen.Die gemeinsame poetische Unternehmung stand überhaupt im Zeichen der Übersetzung: Übersetzung als schöpferische Praxis, als Übertragung von Prinzipien einer zeitlich und räumlich fernen Lyriktradition in die eigene Gegenwart, als Aufnahme fremder Stimmen in das eigene Schreiben im Prozess des Weiterdichtens, als Korrosion der Idee eines eindeutig begrenzbaren schöpferischen Ichs, einer solitären Autor*innenposition, eines einstimmigen Werks.Dagmara Kraus, Felix Schiller und Versatorium - Verein für Gedichte und Übersetzen widmen sich in diesem Band im Geiste dieser >translatorischen Motorik< dem Sonettzyklus Renga im Modus der Übersetzung: indem sie ihn zum Ausgangspunkt einer je eigenen Übersetzungsexploration machen. Sie dichten weiter, schöpfen neu, antworten, versetzen und multiplizieren, spielen mit und gegen Renga - und reflektieren in ihren lyrischen Erkundungen so auch die vielfältige (Un-)Übersetzbarkeit poetischer Sprache.
Jack Spicer (1925-1965) ist die mysteriöse Größe der amerikanischen Poesie. "Jack Spicer", schreibt Stefan Ripplinger im Nachwort zu seinem Buch mit Spicers serial poems, die er hier im Original und seiner Übersetzung präsentiert, "schrieb keine Gedichte, er hielt Séancen ab. Verse werden Verkündigungen, Repräsentationen Vergegenwärtigungen von Abwesendem, Herabrufen von Fremdem, Vergänglichem. Bürgerliche Dichtung dagegen spricht gewöhnlich aus der Intimität eines unergründlichen Ich. Ein solches Ich zu besitzen, bestritt Spicer vehement, kein Autor sei er, keine Autorität, sondern bloß ein Behälter, ein Auffänger, ein Medium, Diener höherer, abscheulicher Mächte. Geboren werde einer in seinen Gebeten, in seinen Anrufungen, in der Sprache, aber immer nur als Phantom. Seine Gedichte seien ihm von Gespenstern oder - damit es nicht nach Spökenkiekerei klingt - Marsmännchen 'diktiert' worden. Er glaube an ein 'Jenseits', an ein Jenseits seiner selbst. Seine Verse sind Irrläufer aus den Steppen von Gedächtnis, Gesellschaft und Sprache."
«Das Proben der Symptome» zeigt Rosmarie Waldrop unvergleichlich fein und konzentriert in treffsicheren Sa¿tzen. Ihre Kunst schenkt Motive und Wendungen, die das Herz wie mit dem Schraubenzieher umdrehen, zugleich vertraut und fremdelnd mit Welt wie mit Jenseits. «Alles Meta- physische,» schreibt sie, «lebt in der Grammatik», die Grammatik aber lebt im Ko¿rper, der Ko¿rper im Geist. Diese me¿nage a` trois portraitiert sie hier in der guise von Symptomen, situiert in ihrem Leben, in Miniaturen, deren Statements alle Scharniere sind, Tu¿ren, Stimmen; wo die Wirklichkeit landen kann, mitten im Realismus, mitten in der Mo¿glichkeit, mitten im gewissen, zeitoffenen Tod.
«Vers: Prosa: ein Muster oder ähnliches von Übersetzung für die, auf denen Vollständigkeit wie ein Fußeisen lastet», schreibt Marianne Moore in ihrem Aufsatz "Vorwort zu einem Marianne Moore Lesebuch", das wir dieser Auswahl ihrer Gedichte vorangestellt haben. Kein Fußeisen der Vollständigkeit also, sondern nach einem ersten Versuch durch Eva Hesse vor 50 Jahren ein neuerlicher Anlauf, Marianne Moore zu übersetzen und dem hiesigen Publikum vorzustellen. «Wie würde es mir vorkommen, wenn es jemand anderes geschrieben hätte?», fragt sie sich, «Hält es die Aufmerksamkeit fest? "Hat es menschlichen Wert?" Oder sieht es aus, als hätte man niemals von "Klarheit, Kraft und Leichtigkeit" gehört oder irgend eine Hilfe von Vor-Denkern erhalten? Ist es kriecherischer Singsang oder hat es "Muskeln"?»Ihre Dichterkollegin und Freundin Elizabeth Bishop, deren großen Essay über Marianne Moore den Band beschließt, meint: «Ich finde es unmöglich, Schlüsse oder gar eine Summe zu ziehen. Wenn ich es versuche, werde ich lächerlich verworren: ich habe eine Art unbewußten Vergrößerungsblick auf den Buchstaben M. Ich wende die Seiten eines illuminierten Manuskripts und sehe wieder und wieder diese Initiale: Mariannes Monogramm; Mutter; Manieren; Moral; und ertappe mich, wie ich murmle: "Manieren und Moral; Manieren als Moral? Oder ist es Moral als Manieren?" Wie Alice "traumwandlerisch", kann ich keine der Fragen beantworten, es ist ganz gleich, wie ich es ausdrücke; es scheint Sinn zu machen.»
Kompromißloser Freiheitsdrang, Rebellion gegen das Establishment, gegen weltliche und religiöse Autoritäten und gesellschaftliche Konventionen, bringen in Millays Leben ein hohes Maß jener Formlosigkeit, der ihr Dichten als Ordnungskraft beikommen will. Sie ging hetero- und homosexuelle Verbindungen ein, in denen sich Sexualität, emotionale Zuneigung und intellektuelle und dichterische Verbundenheit auf komplexe Weisen überlagern konnten. Von ihrem Ehemann ist zu Millays Affären die Aussage überliefert, er toleriere alle Freiheiten, die sich seine Frau nähme, solange diese ihrer dichterischen Kreativität nicht abträglich seien. Mindestens so wichtig wie die Weite, Unkonventionalität und Intensität der Erfahrung war Millay deren Überführung in gut gemachte Gedichte. Dem Mentor Arthur David Ficke antwortet sie jedoch irritiert auf die Anfrage, ob eine Zeile aus Renascence literarischen Ursprungs sei: «I never get anything from a book.» Wie T.S. Eliot es im Essay Tradition and the Individual Talent vom Dichter seiner Zeit fordert, hat sie die literarischen Werke der Vergangenheit nicht vor sich auf dem Schreibtisch liegen, sie hat sie «in ihren Knochen». Bilder von Robert Herrick, Reimklänge von Marvell und Tennyson, emotionale und argumentative Rhythmen von Renaissance-Sonetten hat sie der eigenen Imagination ebenso anverwandelt wie das Lokalkolorit und das Alltagsidiom ihrer neuenglischen Heimat. Das Ergebnis ist eine Dichtung, die mit einer unverkennbaren persönlichen Stimme spricht und im Ganzen wie im Detail dem Leser zumeist unmittelbar verständlich ist, die sich aber zugleich dem traditionsbewußten Lesen auf weite literarische Welten hin öffnen kann.
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