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Spinoza und später die englischen 'free thinkers' forderten bekanntlich ein umfassendes Maß an individueller Denkfreiheit (libertas philosophandi), und zwar auch in theologischen Fragen. Diese Forderung scheint mit den Zielen der Aufklärungsbewegung in Einklang zu stehen. Aber Spinozismus und Freidenkerei galten als Atheismus. Wer sich für umfassende Denkfreiheit aussprach, musste mit heftigen Reaktionen rechnen ¿ von philosophischer ebenso wie von theologischer Seite. Dennoch gilt die Denkfreiheit als zentrale Kampfidee der Aufklärung ¿ und als eine ihrer wichtigsten Errungenschaften. Wie ist das zu erklären?Um diese Frage zu beantworten, rekonstruiert der Autor in seiner Studie zunächst die Ursprünge der deutschen Debatte über die 'libertas philosophandi' im 16. und 17. Jhdt., bevor er die Diskussion über Denkfreiheit in der deutschen Aufklärung ausführlich untersucht. Er geht der Frage nach, aus welchen Perspektiven und mit welchen Argumenten die Denkfreiheit verfochten oder sogar bekämpft wurde, und analysiert dazu zahlreiche Schriften bekannter und vergessener Autoren.Es zeigt sich, dass die Debatte über Denkfreiheit von einem Changieren zwischen religiöser Selbstvergewisserung, theologischem Dogma, absolutistischer Staatsräson und dem Streben nach philosophischer Emanzipation geprägt war.
In »Schöne Seelen, groteske Körper« liest Maximilian Bergengruen die poetischen Texte Jean Pauls als Philosophie bzw. Anthropologie in Metaphern. Jean Pauls widersprüchliche Theoreme zum Thema der Einheit des ganzen Menschen werden, so Bergengruens Analyse, literarisch in Verbindung gesetzt, in Konflikt geführt und poetologisch reflektiert. Der Text bietet dem Leser die Möglichkeit, sich Jean Pauls Werk auf einem neuen Wege zu nähern.Maximilian Bergengruen unternimmt in »Schöne Seelen, groteske Körper« die Überführung wissenschaftlicher Gedankenfiguren in die Narration Jean Pauls. Er liest die poetischen Texte des deutschsprachigen Romanciers als Philosophie bzw. Anthropologie in Metaphern und macht in dem Transfer philosophischer und anthropologischer Fragestellungen in die Prosa eine inszenatorische Kraft aus, welche die Texte Jean Pauls zu einer »ästhetischen Dynamisierung anthropologischer Theorien« werden läßt. Bergengruen erörtert die literarische Reflektion widersprüchlicher Theoreme zum Thema der Einheit des ganzen Menschen und macht den »Kampf der Extreme« bei Jean Paul zum Inhalt seiner Analyse. Die begriffliche Fassung der beiden unvereinbar erscheinenden Teile als schöne Seele und grotesker Körper trägt dabei dem Wechselverhältnis von Ästhetik und Anthropologie Rechnung.Durch die Verortung der poetischen Texte Jean Pauls in die Anthropologie und die Integration von Theorieinformationen, Hintergründen der Ästhetik sowie philosophischen Fragestellungen in die Romananalysen gelingt es Bergengruen, eine Lücke in der Jean-Paul-Forschung zu schließen. Der vorliegende Text stellt somit ein wertvolles Zeugnis einer literaturwissenschaftlichen Neuorientierung dar und bietet dem Leser die Möglichkeit, sich Jean Pauls widersprüchlichen Konzepten von Spiritualismus und Materialismus auf einem neuen, spannenden Wege zu nähern.
Thomasius hat nicht nur Aufklärung gefordert, praktiziert und bewirkt, er hat auch das starke Bewusstsein, am Anfang einer neuen Epoche, einer Epoche der Aufklärung, zu stehen. Mehr als alle anderen späteren Aufklärer hat er ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein und besonders ein ausgeprägtes Epochenbewusstsein. ¿ Die vorliegenden Studien zu Christian Thomasius verdanken ihre Entstehung dem Forschungsprogramm u.a. der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, das zur Vorbereitung dieses Bandes ein Arbeitsgespräch unter dem Titel »Christian Thomasius ¿ 300 Jahre Aufklärung in Deutschland« durchgeführt hat.
Wie vor ihm Plotin und Iamblichos hat auch Proklos neben seinen wirkmachtigen Kommentaren zu den Platonischen Dialogen eigenstandige philosophische Abhandlungen verfasst, in denen er sich frei bewegt, ohne sich der Auslegung eines Platonischen Textes unterzuordnen. Und die Theologische Grundlegung (Stoicheiosis theologike) kommt sogar ganz ohne jeden direkten Verweis auf Platon aus. In diesem Werk spricht Proklos selbst oder vielmehr seine eigene metaphysische Logik. In 211 knappen Kapiteln, die alle nach dem Muster einer allgemeinen These mit anschlieendem, streng logisch gefuhrten Beweis gebildet sind, bietet Proklos einen handlichen Uberblick uber die allgemeinen Prinzipien und Bereiche seiner neuplatonischen Metaphysik. In der zweiten Halfte der Abhandlung steigt er stufenweise von der hochsten metaphysischen Ebene des Einen und der Henaden zu den Intellekten und von diesen zu den gottlichen Seelen hinab. Die menschliche Seele gehort der Darstellung zufolge offenbar nicht mehr ins Reich der gottlichen Metaphysik. Im Lichte des gesamten neuplatonischen Schriftguts ist die Theologische Grundlegung in jeder Hinsicht atypisch und einmalig. Der Anlass fr ihre Entstehung lag vielleicht in dem Bedrfnis vieler Studenten, ber eine knappe und handliche Darstellung der Essenz des neuplatonischen bzw. Proklischen Gedankenguts zu verfgen. Diese ber viele Jahre erarbeitete zweisprachige Ausgabe bietet den griechischen Text in einer neuen Edition und eine auf lateinlastige Terminologie verzichtende deutsche bersetzung dieses fr die richtige Bewertung des Neuplatonismus wichtigen Textes. Mit einer umfassenden Einleitung und einem durchgngigen erluternden Kommentar von Ernst-Otto Onnasch und Ben Schomakers.
Der Briefwechsel zwischen René Descartes (1596¿1650) und Elisabeth von der Pfalz (1618¿1680) gehört zu den eindrücklichsten philosophischen Dokumenten der Frühen Neuzeit. Die rund 60 erhaltenen Briefe, welche die junge Prinzessin und der berühmte französische Philosoph von Mai 1643 bis Dezember 1649 austauschen, zeigen auf engstem Raum die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und gedanklichen Umbrüche im Europa des 17. Jahrhunderts.In Elisabeth von der Pfalz findet Descartes eine äußerst gelehrte Briefpartnerin. Ihre scharfsinnigen und kritischen Fragen spornen ihn an, seine philosophischen Positionen zu vertiefen und in neue Wissensgebiete vorzustoßen. So gibt er nicht nur zu, einige Aspekte seiner Philosophie bisher ungenügend erklärt zu haben, sondern legt sie in den Briefen zum ersten Mal detailliert dar: die Vereinigung von Geist und Körper, die Natur der Leidenschaften sowie die Bestimmung des höchsten Gutes oder der gerechten Regentschaft. Angeregt durch den Wissensdrang der Prinzessin liefert Descartes eigene Interpretationen wichtiger philosophischer Texte wie Senecas Über das glückliche Leben und Machiavellis Der Fürst.Die Edition enthält erstmals eine vollständige deutsche Übersetzung der Korrespondenz zwischen Descartes und Elisabeth. Sie wird um eine Auswahl philosophisch relevanter Briefe erweitert, die Descartes mit Königin Christina von Schweden (1626¿1689) und mit seinem Freund, dem französischen Diplomaten Pierre Chanut (1601¿1662), wechselt.
Es ist ein wissenschaftstheoretischer Gemeinplatz, daß physikalisches Wissen in Experimenten gebildet und durch Experimente getestet wird. Um so auffälliger ist es daher, daß sich die moderne Wissenschaftstheorie fast ausschließlich mit den Problemen der quantifizierenden Begriffs- und der mathematisierenden Theoriebildung in der Physik befaßt hat, während sie dem Experiment nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die diesem Zentralaspekt physikalischer Wissensbildung seiner Bedeutung nach eigentlich zukommt. Dieses Defizit der modernen Wissenschaftsphilosophie möchte die vorliegende Studie beheben. Die wissenschaftstheoretisch vorherrschende Auffassung des Experiments läßt sich in der Formel ¿Experiment = theoriegeleitete Beobachtung¿ zusammenfassen. Dem setzt die Studie von Tetens eine Deutung des Experiments entgegen, wonach experimentelle Erfahrung ein Wissen ist, das an Apparaten durch technisch-intervenierendes Handeln gewonnen wird. Von diesem Ausgangspunkt aus gelingt es, zunächst einmal den Anschluß an das ursprünglich von G. H. von Wright entwickelte Konzept der experimentalistischen Kausalität zu finden, um dann die Theorie der ¿Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme¿ von Imre Lakatos wesentlich zu präzisieren und so weit fortzuführen, daß zentrale formale Eigenschaften der mathematischen theoretischen Physik aus der Idee der experimentellen Erfahrung methodologisch hergeleitet werden können. Im Lichte dieser allgemein wissenschaftstheoretischen Erwägungen werden dann die klassische Mechanik und Elektrodynamik rekonstruiert und die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie in neuartiger Weise interpretiert.
Die "Urfassung der Philosophie der Offenbarung" wurde erst 160 Jahre nach ihrer Niederschrift 1831/1832 aufgefunden; sie bietet den Text des Schellingschen Hauptwerkes ¿ in dem er die Erfüllung seines Denkens erreicht ¿ in der vom Autor ausdrücklich für den Druck autorisierten Gestalt. Diese Ausgabe des Textes nach Schellings Diktat erhellt das bislang als "dunkel" geltende System der positiven Philosophie.Erstveröffentlichung der vom Herausgeber transkribierten Handschrift. Die Orthographie wurde behutsam modernisiert, die Zeichensetzung beibehalten, fremdsprachlichen Zitaten wurden Übersetzungen beigegeben. Mit Anmerkungen, Namen- und Stichwortregister.
Kants Inauguraldissertation von 1770 ist als eine Frühform der "Kritik der reinen Vernunft" bezeichnet worden, zumal einige Abschnitte daraus später in Kants theoretisches Hauptwerk eingegangen sind. Wie der Herausgeber und Übersetzer, Klaus Reich, in seiner Einleitung zeigt, greift diese Auffassung jedoch zu kurz, denn die zentrale Einsicht, dass die reine Vernunft selbst einer Kritik bedürfe, findet sich in der Dissertation noch nicht. Eine wichtige Voraussetzung für die Vernunftkritik, nämlich der Gedanke der Erkenntnis apriori durch die Sinnlichkeit (gegeben in der reinen Anschauung), wird jedoch in der Dissertation, mit der Kants "vorkritische Periode" abschließt, zum ersten Mal formuliert.
Der Impuls, die Wahrheit und die Schönheit von Kants Philosophie zu würdigen und zu bewahren, hat in jüngerer Vergangenheit nicht nur die philosophische Exegese von Kants Schriften, sondern auch die Kant-Philologie befördert und geschärft. Die internationale Präsenz der kantischen Philosophie dokumentiert sich in einer Vielzahl früher, aber auch zahlreicher neuer Übersetzungen in die europäischen und viele außereuropäische Sprachen. Der vorliegende Band liefert Bestandsaufnahmen der Übersetzungen von Kants Schriften ins Englische, Französische, Italienische, Spanische, Portugiesische, Katalanische und Rumänische (I), dokumentiert die Ressourcen und Mittel für heutige Kant-Übersetzungen (II), diskutiert die Schwierigkeiten, die sich bei der Übersetzung der kantischen Terminologie in Theorie und Praxis (III) sowie bezüglich einzelner Begriffe auftun (IV), und geht im Besonderen auf die Übersetzungsproblematik in der Philosophie ein (V). Eine ausführliche Bibliographie und Register runden den Band ab.
Das Problem des Bösen hat den Menschen schon immer beschäftigt, die Liste kultureller, religiöser und philosophischer Vorstellungen vom Bösen in all seinen Facetten ist lang. Immanuel Kant reiht sich in diese Tradition ein, indem er das Böse insbesondere in praktisch-moralischer Hinsicht zum Thema macht. Das Böse entspringt ¿ im Gegensatz zum Übel ¿ dem menschlichen freien Willen, ist also Gegenstand der Moralphilosophie. Wo vom Bösen die Rede ist, geht es um das moralisch Böse, das nach Kant »den faulen Fleck« der menschlichen Gattung ausmacht. Wer davon spricht, dass der Mensch moralisch Böses tun kann, setzt implizit die Freiheit des Willens voraus. Oder umgekehrt: Wer die Freiheit des Menschen betont und verteidigt, muss vom Guten, aber auch vom Bösen reden.Auch wenn Kant in seinem aufgeklärten Zeitalter auf Unverständnis gestoßen ist, zeugt seine Philosophie vom konsequenten (Durch)Denken dieser Problematik. Nach einem Zeitraum der Vernachlässigung scheint die Thematik des Bösen heute erneut in den Fokus der Aufmerksamkeit des wissenschaftlichen Diskurses zu rücken. Nicht anders stellt sich die Situation in der Kant-Forschung dar.
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